Staatsschutz weiß von nichts

■ Hans Kaiser, Leiter des Staatsschutzes, nimmt in einem Interview Stellung zu den Neonazi-Aktionen anläßlich des Hitlergeburtstages

Nichts Genaues weiß man nicht: Die Antifa-Gruppen in der Stadt befürchten anläßlich des morgigen Hitlergeburtstages zahlreiche Aktionen von Skinheads beziehungsweise Neonazis. Per Infostellen (siehe Lokalprärie) und selbstorganisierten Kontrollen wollen die Antifas Gedenkstätten, Cafes und soziale Einrichtungen schützen. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit den Faschos schließen die AntifaschistInnen nicht aus. Die taz befragte den Leiter des Staatsschutzes Hans Kaiser, zur brenzligen Situation in der Stadt.

taz: Herr Kaiser, von seiten der Berliner antifaschistischen Bündnisse werden zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um den anläßlich des Hitlergeburtstags erwarteten Neonazi-Aktionen entgegenzutreten. Wie schätzt denn die Polizei beziehungsweise der Staatsschutz die Situation ein?

Hans Kaiser: Also, wir haben keine konkreten Erkenntnisse über Treffen von Neonazis verstärkt in Berlin, oder daß aus dem übrigen Bundesgebiet irgendwelche rechtsradikalen Gruppierungen hierher anreisen.

Aber es hat ja in den vergangenen Tagen schon verstärkt Nazi-Schmierereien in Wedding, Reinickendorf und auch anderen Stadtteilen gegeben. Ist das denn nicht auch ein Zeichen dafür, daß die Neonazi-Szene den Hitlergeburtstag als Propagandatag benutzt und dann auch aktiv wird?

Tatsächlich hat es in den letzten Tagen zahlreiche Nazi -Schmierereien gegeben. Insgesamt 15 Schmierereien, die sich mit dem Hitlergeburtstag befassen. Das ist also nicht allzu viel. Aber diese Steigerung weist natürlich darauf hin, daß der Tag näher rückt.

Wird es auch von seiten der Polizei mehr Kontrollen an Gedenkstätten und gefährdeten Einrichtungen geben?

Die Polizei ist selbstverständlich aufmerksam. Wir sind jedoch ebenfalls im ganzen Bundesgebiet aufmerksam.

Es gibt ja in der Antifa-Szene ein großes Mißtrauen gegenüber der Polizei, das heißt, sie organisiert eigene Aktionen. Ursache dafür ist, daß in vielen Fällen die Polizei tatenlos zugesehen hat, wenn Passanten von Skinheads verprügelt wurden. Meinen Sie nicht auch, daß die Polizei sich was einfallen lassen muß, um wieder etwas vertrauenswürdiger dazustehen?

An sich sind diese Behauptungen, die Polizei würde bei rechtsradikalen Straftaten tatenlos zusehen, über die Jahre bekannt. Aber immer wenn wir dem nachgehen, wird klar, daß es in dieser Form wie die Beschuldigungen erhoben werden, nicht stimmt. Wir bemühen uns natürlich, dieses Mißtrauen abzubauen, zumal wir sehen, welche erschreckenden Auswirkungen das hat. Zum Beispiel bearbeiten wir gerade zwei Vorfälle, wo Menschen, die anders aussehen, als man selber, zu Nazis erhoben und verprügelt wurden. Das ist natürlich eine ganz bedenkliche Entwicklung.

Aber das ist ja gerade auch das Resultat daraus, daß die Angst vor den rechten Skinheads sich beginnt selbst zu organisieren und Antifas dann genauso losprügeln wie die anderen auch.

Die Polizei ist jedenfalls eine Behörde, die Straftaten verfolgt. Sie ist kein Presseorgan, und wir können nur immer wieder auch an die Presse appellieren, sich an der Diskussion um die Gewalt zu beteiligen. Bei unseren Ermittlungen erhalten wir immer nur wieder die Aussage, daß man nur von jemandem gehört habe, der geschädigt worden sei. Gerade zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus aber gehört eine gewisse Courage.

Aber es gibt eben sehr viele Betroffene, die der Polizei nicht trauen, und sich deshalb auch nicht an sie wenden, wenn sie von Skinheads verprügelt wurden.

Ich muß doch mit meiner Person dahinter stehen, wenn ich Aussagen mache! Selbstverständlich, da werden auch mal Daten aufgenommen. Aber dieses kann doch wohl kein Problem sein. Der Rechtsradikalismus, der gedeiht immer in der Nische der Angst. Da wo Courage vorhanden ist, da hat er keine Chance.

Interview: cb