Schwierige Intendantenwahl

■ Gestern am späten Abend wurde, wenn alles nach Plan gelaufen ist, ein neuer Intendant für den SFB gewählt / Keine Mehrheit für niemanden?

Gestern hat der Rundfunkrat des SFB einen neuen Intendanten gewählt. Oder auch nicht. Das Wahlverfahren begann erst nach Redaktionsschluß der taz. Nur eines ist zuvor schon sicher: Alles ist noch offen. Der Wahlmodus, der am Montag abend vom Rundfunkrat unter Ausschluß der Öffentlichkeit beschlossen wurde, sei wie eine Reise nach Jerusalem, so das von der AL gestellte Rundfunkratsmitglied Christiane Ziesecke. Es wird solange mit einfacher Mehrheit gewählt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig bleiben. Und einer von den beiden muß dann die erforderlichen 16 Stimmen erhalten. Ob es den zwei Kandidaten im Endspurt jedoch gelungen sein wird, diese Stimmenanzahl zu erlangen, bleibt vorerst ungewiß. Eine eindeutige Mehrheit habe keiner, so Ziesecke. Das ganze Verfahren zur Auswahl dieser fünf Kandidaten sei schon unbefriedigend gewesen.

Eine fünfköpfige Findungskommission unter dem Vorsitz von Gabriele Wiechatzek, hatte aus den insgesamt 121 Bewerbungen ihre Favoriten ausgewählt, ohne noch einmal mit dem 32köpfigen Rundfunkrat Rücksprache zu halten, geschweige denn den Mitgliedern auf Wunsch Einsicht in die Bewerbungsunterlagen zu gewähren. Auch die Auswahl der Spitzenreiter stieß auf heftige Kritik im Rundfunkrat.

Einig waren sich die Räte nur in der Begrenzung des Gehaltes des Intendanten. 220.000 Märker pro Jahr darf er „nur“ noch verdienen, soviel wie der frühere Intendant Lothar Löwe einstreichen konnte. Der glücklose Intendantenaussteiger Herrmann erhielt lockere 50.000 Mark mehr. Aus diesem Grund fiel ein Bewerber schon mal aus. Einer der bisherigen Favoriten, der WDR-Fernsehdirektor Günter Struve, will unter diesen Bedingungen nicht arbeiten. Beim WDR würde er schließlich mehr verdienen. Gute Chancen also für den SFB- und SPD-Mann Diether Huhn, der ja bekanntlich angeboten hatte für Tariflohn zu arbeiten. Keine ernsthaften Chancen haben dem Vernehmen nach der Kabelkommunikator Adalbert Rohloff, von dem sich DGB-Chef Pagels, ebenfalls Rundfunkratsmitglied, wegen dessen untariflicher Arbeitsverträge als Chef der PK Berlin (Projektgesellschaft für Kabelkommunikation) distanziert hatte, sowie der Klassenlotterist Heinz Deutschendorf, von dem gemunkelt wird, daß er keine Ahnung von diesem Job habe.

Konkurrenz für Huhn wäre demnach, wider alle Erwartungen, nur noch der bayerische CSU-Sympathisant Günther von Lojewski. Im Bewerbungsgespräch am Montag abend gab sich der 54jährige Rechtslaster betont liberal und tendenziell ausweichend, war zu erfahren. Wieweit seine Liberalität allerdings reicht, kann daraus ersehen werden, daß Lojewski in den sechziger Jahren innenpolitischer Redakteur der 'FAZ‘ und im Anschluß daran Leiter der Nachrichtenredaktion des ZDF („Heute“) war. Als Redaktionschef des Magazins „Report“ beim Bayerischen Rundfunk hatte er sich ebenfalls nicht mit liberalem Ruhm bekleckert. Immerhin soll er feste Programmvorstellungen haben. Zudem ist er im Besitz des Goldenen Sportabzeichens („selbst erarbeitet“, wie er stolz behauptet), und er hat den Theodor-Wolff-Preis für ein Feuilleton über Tennis gewonnen. Das könnte vielleicht im Boris-Steffi-Fieber den Ausschlag geben.

Nichtsdestotrotz, sollte kein Intendant gewählt worden sein und sollte auch kein Überraschungskandidat aus irgendeinem Hut gezaubert werden, was allerdings als eher unwahrscheinlich eingeschätzt wird, kann es durchaus passieren, daß der SFB noch länger führungslos sendet. Es ist nicht auszuschließen, so Christiane Ziesecke, daß der Posten erneut ausgeschrieben wird. Vorausgesetzt, der Rundfunkrat ist es nicht leid.

Petra Dubilski