Wanderung gegen Asbest

■ Spandauer SchülerInnen und LehrerInnen „wandern“ gemeinsam zur Schulsenatorin / Gegen Asbestbelastung provisorische Schuldörfer gefordert

Über einen unvorgesehen Wandertag konnten sich gestern die SchülerInnen der Carl-Diem-Oberschule und der Berthold -Brecht-Oberschule in Spandau freuen. „Rein zufällig“, wie der stellvertretende Schulleiter der Carl-Diem-Schule erklärte, führten die Wanderwege aller Schulklassen zum Sitz der Schulsenatorin in der Bredtschneider Straße. Der wenig erfreuliche Hintergrund für die Freiluftexkursion: seit Mittwoch letzter Woche sind beide Schulen wegen Asbestbelastung geschlossen. Auf Flugblättern und Transparenten forderten die rund 1.500 SchülerInnen gemeinsam mit ihren LehrerInnen deshalb die sofortige Einrichtung von zwei provisorischen Schuldörfern. Die Demonstration wurde von Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn (AL) ausdrücklich begrüßt. Kuhn empfahl den SchülerInnen weitere Protestaktionen, um den Senat und die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen. Auch die Polizei zeigte sich ungewohnt kooperativ: den Demonstranten wurde freundlicherweise ein Polizeilautsprecherwagen zu Verfügung gestellt.

Seitdem letzten Dienstag in den beiden Schulen überraschend Asbestbelastungen von bis zu 2.000 Fasern pro Kubikmeter Luft festgestellt worden waren, rotiert in Spandau das Schulkarussel. Rund 1.600 SchülerInnen sind von der sofort angeordneten Schließung betroffen. Sie wurden inzwischen auf zehn andere Schulen in Spandau verteilt. Dadurch, so beklagten sich die demonstrierenden SchülerInnen und LehrerInnen, käme es zu unhaltbaren Zuständen.

„Alle müssen eben zusammenrücken“, erklärte die zuständige Spandauer Schulrätin, Susanne Pape. Die hohen Meßwerte seien ganz überraschend festgestellt worden. Eigentlich war man davon ausgegangen, daß die bereits einmal provisorisch sanierten Gebäude erst 1991 verlassen werden müßten.

Wie aus der Schulverwaltung zu erfahren war, bereitet die neue Senatorin eine „Asbest-Vorlage“ für das Abgeordnetenhaus vor. Inzwischen sind in Berlin von der Asbestverseuchung mindestens 15 Schulen betroffen. Neun von ihnen mußten geschlossen werden. Insgesamt 14 Ersatz -Schuldörfer müssen im Zuge der Asbestsanierung gebaut werden. Die Kosten für den Bau der Schuldörfer werden auf 350 Millionen Mark geschätzt. Jedes dieser provisorischen Schulgebäude soll sechs bis zehn Jahre genutzt werden. Während dieser Zeit sollen die Asbestschulen zum Teil saniert, zum Teil abgerissen werden. Für einen bedingten Abriß der Asbestschulen hat sich gestern auch Finanzsenator Norbert Meisner ausgesprochen. Vor allem unter Berücksichtigung der Betriebskosten müsse geprüft werden, ob ein „ökologisch vernünftiger“ Neubau längerfristig nicht günstiger als ein Umbau der verseuchten Schulgebäude sei.

-guth