Ein Glockenspiel für die Grünen

■ Nazi-Kunst darf jetzt ausgestellt werden - unter pädagogischer Anleitung

Früher hieß es Orffsches Schulwerk. Entwickelt hat es der Komponist Carl Orff nach seinen Kompositionen für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Orff war vom millionenfach verstärkten Klang des Glockenspiels, der das Stadion füllte, begeistert. Die Nazis auch. Heute steht das Glockenspiel in jedem Kinderladen; die pentatonischen Reihen gehören längst zur Grundausstattung antiautoritärer Erziehungsprogramme. Hitler schwärmte für die „Carmina Burana“, Orffs derbe Liebeslieder sind noch heute der Hit bei Uni-Chorkonzerten.

Zwei Beispiele für die Unmöglichkeit, die Nazi-Kunst nicht nur von dem zu trennen, was davor war (siehe Wagner), sondern vor allem davon, was danach kam. Und für die Schwierigkeit zu verteufeln, was die Nazis bejubelten. Nicht einmal die Nazis selbst wußten so genau, was sie denn eigentlich als ihre Kunst staatlich fördern wollten auch Orff ließen sie irgendwann fallen.

Die Grünen haben da offenbar keine Probleme. In ihrer „Großen Anfrage“ an den Bundestag vom 12.April 1988 „über den Umgang mit der sogenannten 'entarteten‘ und mit der 'schönen‘ Kunst sprechen sie seitenweise von den Problemen mit der NS-Kunst, ohne in einer einzigen Zeile zu klären, ob sie damit außer Breker und der Heidelberger Thingstätte auch noch Emil Nolde meinen. Und von den Debatten um Benn oder Heidegger haben sie wohl noch nie etwas gehört: Was NS-Kunst ist, scheint jedem Grünen klar. Nur so kann getrost die von ihr ausgehende Gefahr für Volkes Gemüt beschworen werden. Erzieher sind gefordert. Auch die zwischen '33 und '45 entstandenen Spielfilme sollen möglichst nicht mehr unkommentiert über die Leinwand flimmern dürfen. Denn der gemeine Publikumsgeschmack, seit jeher dem traditionellen Schönheitideal verplichtet und nicht der Avantgarde, ist den Grünen ein Greuel.

Wo alle Aufklärung nichts nützt, muß eben verboten werden, vor allem „der Handel mit NS-Kunstwerken auf dem freien Markt“. Man stelle sich den grünen Kulturfunktionär vor, der die Gemälde - nach inquisitorischer Besichtigung - in zwei Haufen teilt und vor Noldes norddeutschen Wolken verzweifelt wie der Bauer vor der mittelgroßen Kartoffel.

Pünktlich zwei Tage vor „Führers Geburtstag“ hat nun die Bundesregierung die zwölf Monate alte Anfrage der Grünen beantwortet und ihnen im wesentlichen rechtgegeben: Die in der NS-Zeit in Deutschland öffentlich geförderte Kunst soll im Deutschen Historischen Museum in Berlin und im Bonner Haus der Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der pädagogische Rahmen ist also gesichert. Nun werden sich wieder die Kunstkenner und Museumsdirektoren von Ludwig bis Hofmann zu Wort melden und mit der leidigen Debatte über die Ästhetik von Muskelpaketen und blauäugigen Blondinen erneut die Gemüter erhitzen.

Dem Volk vorzuschreiben, was ihm guttut und was schadet, war leider noch nie eine Spezialität der Rechten. Daß es sich darum auch weiterhin nicht schert, damit wird auch die Linke wohl leben müssen.

Christiane Peitz