MBB baut mit an europäischem SDI

Bundesregierung beauftragt MBB und AEG, gemeinsam mit den USA eine Anti-Raketen-Rakete zu entwickeln Forschungsprojekt läuft bereits seit Anfang der achtziger Jahre / System soll bis 1991 produktionsreif sein  ■  Von Jürgen Gottschlich

Berlin(taz)- Die Bundesregierung soll nach Informationen des US-Magazins 'Defense News‘ Ende letzter Woche in Washington einen Vertrag unterschrieben haben, der eine deutsche Beteiligung an einer Anti-Raketen-Rakete festlegt. Danach soll das System, ursprünglich vom US-Konzern Raytheon entwickelt, nun gemeinsam mit MBB und AEG produktionsreif gemacht werden.

Karsten Voigt, Obmann der SPD im Auswärtigen Ausschuß, forderte gestern in Bonn die Bundesregierung auf, die zuständigen Ausschüsse des Bundestages endlich über das Projekt zu unterrichten beziehungsweise die bislang getroffenen Vereinbarungen rückgängig zu machen. Die Stationierung einer Anti-Raketen-Rakete, so Voigt, ist zumindestens eine Aushöhlung des ABM-Vertrages der den USA und der Sowjetion die Stationierung solcher Systeme bis auf wenige Ausnahmen verbietet. Für Voigt ist die Entwicklung dieser Anti-Raketen-Rakete „ein Schritt in Richtung auf ein europäisches SDI-Konzept“ analog zu dem der USA, die „ja auch dabei sind, SDI vom Weltraum auf den Boden zu verlagern“.

In einer ersten Stellungnahme bestritt der Sprecher der Hartdhöhe, Dunkel, die Unterzeichnung einer Regierungsvereinbarung über ein Projekt namens „Patriot -Growth“. Statt dessen sei ein gemeinsames Forschungsprogramm zur Entwicklung verbesserter Such- und Gefechtsköpfe für die Patriot-Raketen vereinbart worden. Damit soll die Treffgenauigkeit der Patriot sowohl gegen Flugzeuge als auch gegen Raketen verbessert werden. Dem bislang geheimgehaltenen Vertragsabschluß gehen bereits jahrelange Entwicklungsarbeiten zur Herstellung abwehrtaktischer Raketen voraus. Der jetzt angeblich unterzeichnete Vertrag ist ein Anhang zu einem „memorandum of understanding“ das bereits 1985 unterzeichnet wurde. Offizell geht es bei dem gesamten Projekt um den Austausch der Nike-Hercules-Luftabwehrraketen durch das Patriot -System. Seit dem Frühjahr 1983 ist bekannt, daß das Pentagon Aufträge zur Erforschung der Möglichkeit einer Umrüstung der Luftabwehrrakete Patriot in eine Anti-Raketen -Rakete vergeben hat. 1986 führte der Rüstungskonzern Raytheon erstmals erfolgreiche Tests durch, bei denen die Kurzstreckenrakete Lance durch eine PAC-1 abgeschossen wurde. Die PAC-1, mit denen jetzt die Bundeswehr ausgerüstet wird, soll dazu in der Lage sein, gegnerische Raketen aus der Bahn zu werfen. Die jetzige Weiterentwicklung, an der MBB und AEG sich mit knapp 20 Millionen Dollar beteiligt, soll einen stärkeren Motor, eine verbesserte Radarausrüstung und einen Sprengkopf bekommen, der den gegnerischen Sprengkopf zerstören können soll (warhead kill). Damit soll die Rakete in der Lage sein, taktische Raketen und Marschflugkörper des Gegners zu zerstören. Nach Informationen der taz erfolgt zur Zeit die Stationierung der „Patriot1„-Version (PAC-1) bei den Bundeswehrbataillonen 21 bis 26. Die Kommandoeinheiten dieser Bataillone sind Möhnsee, Delmenhorst, Eydelstedt, Heide, Penzing und Manzing. Zu den Stationierungsorten gehören jeweils Abschußbatterien, die in einem größeren Radius verteilt sind.

Voigt wandte sich für die SPD gegen diese Entwicklung und forderte eine dritte Null-Lösung anstatt neuerlicher Aufrüstung. Kommentar auf Seite 8