Havelchaussee: Radler gegen Surfer

■ Radler demonstrieren für Sperrung der Havelchaussee / SPD und AL warten noch auf ein Beförderungskonzept der BVG / Verkehrssenator Wagner fürchtet Klagen von anliegenden Restaurantbesitzern / Drohanrufe bei der Radler-Chefin

„Sperrt die Havelchaussee!“ Unter dieser Parole wollen Radler am Sonntag mit einer Sternfahrt in den Frühling starten. Ziel ist der Grunewaldturm an der Waldstraße. Auf einer Pressekonferenz von Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und BUND bekräftigten gestern auch Abgeordnete von AL und SPD ihre Absicht, die verstopfte Ausflugschaussee zu sperren. Sobald die BVG ein Konzept entwickelt habe, wie die Wassersportler an den Wannsee befördert werden könnten, könne die Havelchaussee gesperrt werden, sagte der SPD -Abgeordnete Behrendt. Sein AL-Kollege Cramer hofft, daß dann noch in diesem Jahr die Autos von der knapp elf Kilometer langen Straße verbannt werden können.

Jetzt schon provozieren diese Pläne Proteste. Uta Wobit, die Berliner ADFC-Vorsitzende, konnte gestern von dem Drohanruf eines empörten Restaurantbesitzers berichten. Das Protestpotential ist groß: An Wochenenden sind täglich bis zu 25.000 Autos auf der Waldchaussee unterwegs, darunter viele Surfer. Auch deren Interessen fänden aber ihre „Grenzen“ am „Allgemeininteresse“, erklärte Behrendt gestern. Nach einer Sperrung soll die BVG, so die Meinung von Behrendt und Cramer, die Surfer und ihre Bretter ans Wasser transportieren. Am Parkplatz des Olympiastadions, so die Idee, sollen die Wellenreiter in den Bus umsteigen. Cramer zur taz: „Wenn das für einen Surfer zuviel Aufwand ist, dann soll er es lassen.“ Radlerin Uta Wobit riet den Brettlfreunden: „Ihr müßt euch einen anderen Sport aussuchen.“

Die Autos auf der Havelchaussee gefährden auch das Trinkwaser, daran erinnerte gestern Wolf Künne vom BUND. Viele Brunnen des Wasserwerks Beelitzhof liegen in unmittelbarer Nachbarschaft der Straße. Die Havelchaussee führt in Teilen durch die Zone 2 nach der Wasserschutzgebietsverordnung. „Jeglicher Autoverkehr“, so Künne, sei hier „unzulässig“. Ein vom alten Senat geplanter Umbau der Straße genüge nicht, um ein Einsickern von Schadstoffen in den Boden zu verhüten, erklärte der Umweltschützer.

Noch gibt es jedoch auch im Senat Bedenken gegen eine Sperrung. „Das will sorgfältig überlegt sein“, hieß es gestern im Haus von Verkehrssenator Wagner (SPD). Der Verkehrssenator befürchtet Klagen der betroffenen Restaurantbesitzer. Als „unerträglich“ hatte schon vor einigen Tagen Zehlendorfs Bürgermeister Klemann (CDU) eine Sperrung der Ausflugschaussee abgetan.

Ausgerechnet Zehlendorf und die Senatsverkehrsverwaltung hatten in der Vergangenheit selbst einen minimalen Schutz des Grundwassers unter der Chaussee torpediert - „ein leidiges Thema“, klagt man in der Wasserbehörde von Umweltsenatorin Schreyer. Schon seit November 1987 ist die Wasserschutzordnung in Kraft. Doch bis heute steht der wasserschutzgerechte Umbau der Straße aus. Das Bezirksamt Zehlendorf schob das Vorhaben auf die lange Bank, weil es die Kosten von 8,2 Millionen Mark fürchtet. An der Senatsverkehrsverwaltung scheiterte die Umsetzung des in der Schutzverordnung enthaltenen Verbots, in der Schutzzone zu parken. Die Verkehrsverwaltung hatte der Verordnung seinerzeit zwar zugestimmt, meldete jedoch nachträglich rechtliche Zweifel an.

Ob die Havelchaussee wenigstens für die Rad-Demo am Samstag gesperrt wird, ist noch offen. Die Polizei, so gestern Hauptkommissar Weigert, will das frühestens am Freitag entscheiden.

hmt