Belastungsgrenzen

■ Streit um den Aufruf zur Hungerstreik-Demonstration in Bonn

KOMMENTARE

Seit Beginn des Hungerstreiks hat es eine breite Unterstützung für die Zusammenlegungsforderung der RAF -Gefangenen gegeben. Das gemeinsame Anliegen einte unterschiedlichste Gruppierungen, verdeckte jedoch zugleich die labile Gemengelage dieses Bündnisses. Die Initiatoren der für Ende April geplanten Hungerstreikdemonstration in Bonn haben nun durch die Ablehnung von Rednern des liberalen „Osterappells“ die Belastbarkeitsgrenzen der Solidaritätsfront ausgetestet - möglicherweise nur aus Ungeschicklichkeit; überfällig aber war es allemal.

Zugleich hat die Aussetzung des Hungerstreiks durch Karl -Heinz Dellwo und Christa Eckes die Hemmung beseitigt, angesichts dieser an der Grenze des Todes schwebenden Gefangenen über Trennungslinien reden. Und auch die verschiedenen Anschläge haben dazu beigetragen, daß die beeindruckende Unterstützung der Kampagne abbröckelt. Wem geht es um humanitäre Haftbedingungen ohne Ansehen der Person, wem geht es um mehr, fragen sich jetzt Grüne und Unterstützer aus dem liberalen Spektrum.

Die Positionspapiere und Aufrufe zur Demonstration haben diesen Punkt mit Formulierungen umschifft, die einem diplomatischen Protokoll alle Ehre machen würden. Natürlich gibt es dafür gute Gründe, nicht zuletzt die mutwillige Kriminalisierung all derer, die sich mit dem Hungerstreik beschäftigen. Die diffusen Formulierungen aber, auf die sich jetzt ein breiter Kreis von Unterstützern verständigen soll, haben ein wachsendes Mißtrauen bei grünen Politikern und linksliberalen Kreisen entstehen lassen, von radikaleren Gruppierungen als nützliche Idioten mißbrauch zu werden.

Die Vorsicht ist verständlich. Schließlich unterstützen einige Grüne - auch wenn dies nicht öffentlich gesagt wird die Zusammenlegungsforderung auch in der Hoffnung, daß in der RAF-Problematik ein Ende absehbar wird, daß sich die Gefangenen im gruppendynamischen Clinch zum rascheren Ausstieg treiben und zugleich die rekrutierungsfördernden Sonderhaftbedingungen beseitigt werden. Radikalere Unterstützer haben da, so die Befürchtung, möglicherweise ein ganz anderes Anliegen.

Mit den Verhandlungen über die zentrale Hungerstreik -Demonstration in Bonn ist der Punkt überschritten, wo solche Ungewißheiten weiter hingenommen werden können. Für die Grünen steht die eigene Handlungsfähigkeit zwischen dem eingebunkerten Staat und der nicht minder verhärteten antiimperialistischen Szene auf dem Spiel. Die Partei kann die Forderung nach besseren Haftbedingungen nicht glaubwürdig vertreten, wenn ihre Vertreter auf der Demonstration zur Staffage einer Werbeveranstaltung für die „Gefangenen aus Guerilla und Widerstand“ werden. Angesichts ihres Entstehens auch aus der heillosen politischen Situation des deutschen Herbstes heraus riskierten damit die Grünen ihre eigene Geschichte. Die Initiatoren des Aufrufs werden beweisen müssen, daß sie ein Bündnis aushalten können - bei klarer Benennung aller politischen Differenzen.

Gerd Nowakowski