Streit um zentrale Hungerstreik-Demo in Bonn

Grüne vor dem Ausstieg / Vorwurf: Initiatoren betrieben „Vereinnahmungspolitik“ / Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen Komitee für Grundrechte und Demokratie zieht Unterstützung „wegen fehlender Repräsentation der liberalen Öffentlichkeit“ zurück  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Mitglieder des Bundesvorstandes und der Bundestagsfraktion der Grünen haben sich gegen die Teilnahme an der zentralen Hungerstreik-Demonstration am 29.April in Bonn ausgesprochen.

Die Bundestagsfraktion faßte am Dienstag abend den Beschluß, noch einmal über den Aufruf und die Rednerliste zu verhandeln. Im Vorstand plädierten realpolitisch orientierte Mitglieder dagegen für den sofortigen Rückzug. Die Initatoren betrieben eine „Vereinnahmungspolitik“, die sie nicht mehr mittragen könnte, sagte Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher.

Bekannt wurde, daß das Komitee für Grundrechte und Demokratie seine Teilnahme an der Demonstration zurückzieht. Von „gleichberechtigter Repräsentation“ auch der liberalen Öffentlichkeit bei den Redebeiträgen könne nicht die Rede sein, erklärte Andreas Buro: „Sie von vornherein auszugrenzen heißt, das Bündnis nicht zuzulassen.“

Ebenso wie Andreas Buro kritisieren Mitglieder der Bundestagsfraktion, daß die Veranstalter der Demonstration in ihrer letzten Erklärung die „solidarische Unterstützung aller Forderungen der Gefangenen“ als Grundlage ansehen. Sie lasse sich eine „Veränderung des Demo-Charakters nicht bieten“, sagte Antje Vollmer und verwies darauf, ihr gehe es allein um die Veränderung der Haftbedingungen.

Ihr Mitarbeiter Bernd Ulrich forderte eine ausdrückliche Verankerung der Gewaltfreiheit im Aufruf, eine „gleichgewichtige“ Teilnahme von Vertretern außerhalb der Unterstützerszene bei den Redebeiträgen und eine Betonung der politischen Gegnerschaft zur RAF-Politik und ihren Unterstützern. Weil die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen nichts mit dem Faschismus zu tun habe, solle auch die Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus nicht reden. Dieses wurde von der Fraktionsmehrheit unterstützt. Vorstandsmitglied Jürgen Reents (linkes Forum) unterlag mit seinem Vorschlag, in einem Brief an die Veranstalter die politische Gegnerschaft zur RAF ausdrücklich nicht zu erwähnen.

Er wolle nicht das Risiko eingehen, daß der Ausstieg der Grünen zum Argument des endgültigen Verbots der Demo werde, sagte Reents. Dies wäre für das Verhältnis der Grünen zu den Autonomen „erlebnisprägend“. Den Veranstaltern sei derzeit „nicht genügend klar, wie weit die Öffnung gehen muß“, sagte Reents. Die Abgeordnete Marie-Luise Beck-Oberdorf äußerte die Sorge vor gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Demonstration. „Aus der Demo aussteigen aus Interesse für die Gefangenen“, forderte Udo Knapp und warnte vor einer Funktionalisierung der Hungerstreikenden durch die Unterstützer „draußen“. Die Abgeordnete Angelika Beer verteidigte dagegen die Position, es sei nicht Ziel der Demonstration „die Debatte über die RAF zu führen, sondern die solidarische Übernahme der Forderungen der Gefangenen“. Sie plädierte dafür, die Demo „nicht durch vorgetäuschte Ängste unmöglich“ zu machen.