CSU-Bauchredner wird SFB-Intendant

■ Günther von Lojewski rückt nach „Polarisationswahl“ auf den Chefsessel des Senders

Als gezieltes Votum des Rundfunkrates gegen die rot-grüne Regierung Momper wurde gestern in Berlin die überraschende Wahl des bayerischen Fernsehjournalisten Günther von Lojewski zum neuen SFB-Intendanten bewertet. Die SFB -MitarbeiterInnen reagierten mit einer spontanen Protestversammlung auf die Wahl des Rechtsauslegers. Kultursenatorin Anke Martiny sah sich zu einer Erklärung genötigt. Lojewski selbst freut sich, bald wieder in Berlin Tennis zu spielen.

Als am Dienstag abend um 20.20 Uhr, genau zwanzig Minuten nach Beginn des Wahlvorgangs, die Rundfunkratsvorsitzende des SFB, Gabriele Wiechatzek, mit zufriedenem Lächeln aus dem Saal trat, war die Überraschung perfekt: Der neue Intendant des Senders heißt Günther von Lojewski. 17 von 31 Stimmen erhielt der stramme Journalist vom Bayerischen Rundfunk bereits im ersten Wahlgang. Die sonst so beredten Pressevertreter, die im Vorraum bei Wein und Lachsbrötchen das Wahlergebnis erwarteten, wurden stumm, die anwesenden SFB-MitarbeiterInnen blaß. Niemand, aber auch wirklich niemand hatte mit diesem Resultat gerechnet.

Die Wahl hatte bereits im Vorfeld Querelen, Intrigen und Auseinandersetzungen ausgelöst. Der Rundfunkrat, der sich erst im Januar, kurz vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, mit einer CDU-Mehrheit neu konstituierte, hatte als erste Aufgabe die Suche nach einem neuen Intendanten übernommen. Eine Ausschreibung brachte 121 Bewerbungen, davon nur neun Frauen. Eine fünfköpfige Kommission unter Vorsitz von Wiechatzek wurde beauftragt, eine Vorauswahl zu treffen. Die wurde jedoch gegen den Protest einiger Ratsmitglieder selbst vor dem Rundfunkrat geheimgehalten. „Strengste Vertraulichkeit“ sei geboten, begründete die Vorsitzende diese Maßnahme. Ein Teil der Räte, darunter die AL-Frau Christiane Ziesecke, bewerteten die Vertraulichkeit jedoch als Mauschelei. Noch einen Tag vor der Wahl kündigte Klaus Weber, vom Berliner Kulturrat in den Rundfunkrat delegiert, sogar an, bei einem unakzeptablen Ergebnis die Wahl juristisch anzufechten. Ob er dies angesichts der Wahl Lojewskis, bei der von Akzeptanz keine Rede sein kann, tun wird, blieb gestern offen.

Die fünf Männer, die von der Findungskommission schließlich in die Endrunde geschickt worden waren, stießen durchweg nicht gerade auf helle Begeisterung. Als Einäugiger unter Blinden galt zumindest der Sozialdemokrat Dieter Huhn, langjähriger SFB-Mitarbeiter und Vorsitzender im Programmausschuß. Er galt als pragmatische Lösung, da er als einziger mit den Schwierigkeiten des Senders vertraut ist. Dennoch erhielt er bei der Wahl nur 11 Stimmen, obwohl er angekündigt hatte, für Tariflohn zu arbeiten und sich mit einem Zweijahresvertrag ohne Pensionsansprüche zufrieden zu geben. Als aussichtslose Kandidaten galten von vorneherein der Direktor der Berliner Lottozentrale Heinz Deutschendorf, dem nachgesagt wurde, daß er keine Ahnung von dem Job habe. Auch den Geschäftsführer der Berliner Kabelzentrale, Adalbert Rohloff, konnte sich niemand als SFB-Chef vorstellen. Große Chancen wurden allerdings dem Fernsehdirektor des Westdeutschen Rundfunks, Günter Struve, eingeräumt. Der zog seine Bewerbung jedoch kurzfristig zurück, nachdem er erfahren hatte, daß er in Berlin weniger verdienen würde als beim WDR. Der von teuren Intendantengehältern und nachfolgenden Pensionsansprüchen geplagte Sender wollte nicht mehr als 220.000 Mark Jahresgehalt springen lassen.

Trotz des „niedrigen“ Gehalts hatte es nicht an qualifizierten KandidatInnen gemangelt. Lea Rosh, engagierte Journalistin und erfahrene Medienfrau, war ebenso im Gespräch wie der abgewählte Berliner Kultursenator der CDU, Volker Hassemer. Darüber, warum beide nicht in die engere Wahl kamen, kann jetzt gegrübelt werden. Im Taumel von Rot -Grün hatten es die verantwortlichen Politiker offenbar verpaßt, auf die Besetzung der SFB-Intendanz mit eigenen Vorschlägen Einfluß zu nehmen.

Die Auseinandersetzung mit unliebsamen Intendanten steht beim SFB in bester Tradition. Kein Sender hat jemals soviel Chefs in so kurzer Zeit verschlissen. Drei glücklose Intendanten gaben sich in sechs Jahren die Klinke in die Hand. Keiner ging in Frieden.

Nach nur zweieinhalbjähriger Amtszeit mußte nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem Rundfunkrat der letzte Intendant Günter Herrmann, Nachfolger des ebenso umstrittenen Lothar Löwe, seinen Intendantensessel verlassen. Er hatte die Nagelprobe der Haushaltsberatungen des maroden Senders nicht bestanden. Kritik wurde auch an seiner Personalpolitik geübt. Der Fernsehbereich im SFB wird seit Monaten kommissarisch verwaltet, die Leitung des Regionalprogramms ist unbesetzt. Man könne zu ihm kein Vertrauen haben, gab das damalige Rundfunkratsmitglied Detlef Prinz als Begründung für seinen Abwahlantrag an. Unter Druck schmiß Herrmann schließlich das Handtuch und verließ den SFB frühzeitig zum 31.März. Als hochbezahlter Frühpensionär dürfte ihm dieser Schritt nicht sonderlich schwergefallen sein.

Wie lange der frisch gekürte Lojewski, der sich nicht selbst beworben hatte, sondern von der Findungskommission angesprochen wurde, in der Masurenallee regieren wird, bleibt abzuwarten. Er betonte in der am selben Abend zusammengetrommelten Pressekonferenz, daß er ein „Intendant der Integration und Kooperation“ sein werde. Sich selbst bezeichnete er als „liberal-konservativ“, zu Recht allerdings mit einigem Zögern in der Stimme. Als schwarzer Kontrapunkt gegen den rot-grünen Berliner Senat sieht sich der Bayer allerdings nicht. Das sei nicht seine Aufgabe, merkte er salomonisch an. Er möchte nur, daß der SFB die Nummer eins in Berlin wird, pardon, bleibt. Auch darüber, wie er die vakanten Posten im SFB besetzen wird, hüllte er sich in Schweigen. Er habe sich bereits Gedanken gemacht, aber so früh wolle er nichts dazu sagen.

Noch im ersten Schock nach der Wahl Lojewskis kehrte einer der SFB-Direktoren die mißliche Angelegenheit in Zweckoptimismus um. Auf die Frage, wie er in den nächsten zwei Jahren mit der Situation fertig werden wolle, meinte er nur lakonisch: „Ach, nur zwei Jahre? Na, das schaffen wir schon.“

Petra Dubilski