„Sehr, sehr positive BVG-Perspektive“

■ Im letzten Jahr 45 Millionen Mark weniger Miese und Stop des Fahrgastschwunds / Kurz- und mittelfristig noch nicht bezifferbare Mindereinnahmen durch billige Umweltkarte und günstigere Tarife erwartet / Auf lange Sicht soll sich das Billigticket auszahlen

Was waren das vor 25 Jahren noch für Zeiten: Seinerzeit, 1964, betrug die Lücke im Etat der BVG nur schlappe 23 Mio. Mark. Trotzdem Anlaß für den DGB, damals eine für „unvermeidlich“ gehaltene 20prozentige Tariferhöhung zu fordern. Heute werde bei ungleich höheren Verlusten des Eigenbetriebes im Gegenteil davon gesprochen, wegen einer Attraktivitätssteigerung bei Bahnen und Bussen die Tarife zu senken, rief gestern der kaufmännische BVG-Direktor Hans -Bernhard Ludwig triumphierend und schwenkte den vergilbten Zeitungsausschnitt mit den Zahlen von damals vor den Presseleuten. Vor dem Hintergrund des vorgestellten guten Geschäftsergebnisses der BVG für das abgelaufene Jahr 1988 und der wachsenden Bedeutung, die der neue Senat dem öffentlichen Nahverkehr beimißt, räumte Ludwig der BVG für 1989 eine „sehr, sehr positive Perspektive“ ein.

1988 gelang es der BVG, ihren Jahresverlust im Vergleich zu 1987 um stolze 45 Mio. Mark zurückzufahren. Er verringerte sich von 661 Mio. auf 616. Mio Mark und liegt damit deutlich unter der „Schallgrenze“, der Summe von 700 Mio., die das Land Berlin maximal aus dem Steuersäckel ausgleicht. Gegenüber dem Haushaltansatz, der noch von einem Einnahmeverlust von 710 Mio. ausging, konnte die BVG sogar 94 Mio. einsparen. Hauptgrund: Nach der Tarifreform vom Mai benutzten bis zum Jahresende im Durchschnitt 3,4 Prozent mehr Personen die BVG, davor war noch ein durchschnittlicher Schwund von 7,2 Prozent zu vermerken. So belief sich der Rückgang der sogenannten „Unternehmensförderungsfälle“ 1988 nur auf 0,4 Prozent - praktisch ein Stopp des langjährigen dramatischen Fahrgastschwundes. Insgesamt beförderte die BVG 1988 rechnerisch 508 Millionen Kunden, der jahrelange Fahrgastschwund wurde gestoppt.

Ludwig äußerte die Hoffnung, daß die BVG auch nach der Einführung der billigen Umweltkarte im Herbst und dem Inkrafttreten der beschlossenen Vergünstigungen bei den Schüler- und Seniorentarifen 1989 unter der „magischen“ Verlustgrenze von 700 Mio. Mark bleibt. Freilich könnten die mit Sicherheit zu erwartenden Mindereinnahmen noch nicht eingeschätzt werden, seien aber längerfristig durch einen Anstieg der Fahrgastzahlen auszugleichen. „Für die Jahre nach 1989 können noch keine Prognosen abgegeben werden. Es ist aber absehbar, das insbesondere durch die Verdichtung des Verkehrsangebotes bei Bus und Bahn sowie weiterer Inbetriebnahmen von S-Bahnstrecken die künftigen Jahresergebnisse nachhaltig beeinflußt werden“, hieß es indes unheilschwanger in einem von der BVG-Finanzdirektion verteilten Pressetext.

thok