HR-MitarbeiterInnen übten Widerstand

■ „Informationstag“ zu Sparmaßnahmen beim HR

Erst hieß er Streik-, dann Aktions-, dann, gemäßigt, Informationstag. Freie und Feste im Hessischen Rundfunk verteilten schon am Mittwochmorgen Flugblätter im Sendehaus am Frankfurter Dornbusch, funkten in Funk und Fernsehen SOS, gingen auf die Straße und riefen zur Kundgebung. Heinz Schenk, der Blaue Bock im Ruhestand, schenkte Apfelwein aus, die traditionellen Brezeln bogen sich weich und salzig zum HR-Signet. Und am Abend marschierte der Intendant als Diskutant vorneweg im Kampf gegen die Finanznot des Senders. Die war dem HR vom mehrheitlich schwarzen und grauen Rundfunkrat in Höhe von Einsparungen von rund 130 Millionen Mark innerhalb der nächsten drei Jahre verordnet worden. Das gehe, befand Kelm, „an die Substanz“ des öffentlich -rechtlichen Rundfunks. „Wollen Sie das?“, fragte er mit bohrender Insistenz mehrmals den Medienexperten der hessischen CDU, Dieter Weirich. Der wiederum redete von Wettbewerb und Chancen für die armen Privaten. Freie Mitarbeiterin Helga Dierichs: „Mir kommen die Tränen!“ Ex -WDR-Intendant von Sell rückte am Weltbild. Es gehe doch nicht darum, daß der öffentlichrechtliche Rundfunk „dick und bräsig“ dasitze und die Privaten die „armen Hascherl“ seien, sondern um handfeste Interessen, um Akkumulation von Kapital, um Werbemärkte und Filmhandel.

CDU-Weirich klammerte sich an sein Stichwort. „Grundversorgung“ der HörerInnen durch die öffentlich -rechtlichen Anstalten gemäß dem Verfassungsauftrag wolle er garantieren. Dazu brauche es doch wohl, meinte er dann, schlitzohrig „keine 30 öffentlichen Hörfunkprogramme“ und jonglierte mit dem Verfassungsgerichtsurteil von 1987. Dies hatte gewieft jenen Pluralität, Staatsferne und kulturellen Auftrag den Öffentlich-Rechtlichen zugeschoben, die Privaten aber als Zusatzversorger davon weitgehend verschont. Auf der einen Seite also „Kartoffelfunk“ mit Sparprogramm über zu späte, zu geringe Gebührenerhöhung, auf der anderen der Luxus suggerierende Pudding-Funk, Bierbauch-Konserven mit Blick auf Europa. Das Vorfeld bleibt dem Konkurrenzkampf überlassen, Goldgräber und Pioniere contra Tarifverträge.

Die Frage des Abends stellte Moderator Friedrich. Ob der CDU möglicherweise die Personalpolitik des Intendanten nicht gepaßt habe? Das wiesen Weirich und Rundfunkrätin Edith Strumpf weit von sich. Nie und nimmer würden PolitikerInnen Einfluß nehmen auf den Sender, gar auf das Programm. Daß CDU -Fraktionsvorsitzender Nassauer am gleichen Tag aus Richtung Wiesbaden die Keule geschwungen hatte, muß demnach ein Versehen sein. Nassauer drohte wieder einmal mit einem bisher gebunkerten Gesetzesentwurf, der die Rechte des Intendanten bei Personalentscheidungen drastisch beschneiden soll.

Daß die HR-MitarbeiterinInnen mit ihren Informationsprogramm in eigener Sache einiges von ihrem vielbeschworenen professionellen Lack einbüßten, mag daran liegen, daß Journalisten nun einmal nicht so gut sind im Vertreten eigener Interessen. Spaß hat es ihnen jedenfalls gemacht, sich den Sparphantasien der Grundversorgung hinzugeben. Warum der HR einen Chemiker als Intendanten hat? Eben: „Ein Journalist wäre zu teuer gewesen.“

Heide Platen