Flimmern vor den Augen

■ Der Monitor ist das Stiefkind der Computerentwicklung / Gesundheitsbeschwerden bei BildschirmarbeiterInnen werden nicht ernst genommen

Machen Computer krank? Carola Schewe hat Menschen befragt, die seit Jahren tagtäglich vor einem Computermonitor sitzen*. Vor allem mit Frauen hat sie gesprochen, denn diese stellen die große Mehrheit der Bildschirmbeschäftigten: Auf vier weibliche kommt ein männlicher Datenerfasser. Viele klagen über Schlafstörungen und Haltungsschäden, über Herzschmerzen und verstärkt auftretende Allergien. In den EDV-Abteilungen ihrer Firmen, so berichten einige der Befragten, liege der Krankenstand gewöhnlich bei 30 Prozent. Bildschirmarbeiterinnen fühlen sich mit ihren Beschwerden häufig allein gelassen - ignoriert von Arbeitgebern und Vorgesetzten, beschwichtigt von Ärzten, Wissenschaftlern und Behörden.

Schon vor Jahren beunruhigten Berichte über Fehlgeburten und Mißbildungen die Öffentlichkeit. Am heutigen Bürostandard gemessen haben die damals angeführten Untersuchungsergebnisse aus Schweden oder Kanada allerdings nur noch begrenzte Aussagekraft. Die Strahlenintensität der meisten Bildschirme ist deutlich gesunken: Die Monitore der „ersten Generation“ wurden vor allem in Großbetrieben durch modernere Geräte ersetzt. Dennoch besteht kein Grund zu der Entwarnung, die offizielle Stellen gegeben haben - auch wenn Experten immer wieder betonen, daß bei richtiger Gestaltung des Arbeitsplatzes keine Gesundheitsschäden zu erwarten seien.

Der Bildschirm ist das Stiefkind der Computerentwicklung. Längst wäre es möglich, bessere Monitore herzustellen und zu installieren. Nicht umsonst gelten die Sichtgeräte im Fachjargon als „Peripherie“, als Randgebiet also. „Die technische Entwicklung der Bildschirme ist weit hinter der Entwicklung der Computer selbst zurüpckgeblieben“, glaubt der Physiker Hans-Dieter Bauer vom Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund.

Wissenschaftlich nicht mehr umstritten ist, daß schlechte und falsch plazierte Sichtgeräte zu bleibenden Augenkrankheiten führen können. Denn auf dem Monitor erscheint kein durchgängiges Bild, sondern eine Ansammlung von Punkten, die immer wieder auf die Schirminnenseite projiziert werden. Bei stundenlanger Arbeit am Computer haben die Augen Schwierigkeiten, mit den häufigen Bildwechseln zurechtzukommen. Besonders anstrengend ist der ständig wandernde Blick von der Vorlage auf den Schirm und umgekehrt.

Eine neue Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz stellt fest, daß nur ein Bildschirm mit dunklen Zeichen auf hellem Hintergrund ein klares, gut lesbares Schriftbild ermöglicht. Der Billigrechner-Markt aber wird von Schirmen mit hellen Zeichen auf dunklem Hintergrund beherrscht - denn dann ist das Flimmern der Geräte nicht so leicht erkennbar. Gelbe oder grüne Farben lassen die Schrift genauso aussehen und beanspruchen die Augen unnötig. Um die Nachteile dieser Monitore auszugleichen, raten die Hersteller zu Vorhängen oder Rollos in den Arbeitsräumen.

Der Dortmunder Physiker Bauer hält solche Tips für eine „Krücke“. Er fordert Sichtgeräte, die ohne störende Reflexe auskommen, einen hohen Zeichenkontrast garantieren und „absolut flimmerfrei“ sind. Doch vor allem in kleineren Unternehmen werden weiterhin gesundheitsschädliche Billigmonitore angeschafft. Nachträglich eingebaute Filter können die Strahlenintensität bestenfalls mildern.

Nicht nur Qualitätsmängel machen die Tätigkeit am Computer zur Schwerstarbeit - hinzu kommt der Streß. Viele Bildschirmarbeiterinnen sitzen einfach zu lange vor dem Schirm. Längst nicht überall gibt es Betriebsvereinbarungen, die „Mischarbeit“ vorschreiben, Pausen festlegen und die tägliche Arbeitszeit vor dem Monitor begrenzen. Manche Unternehmen halten nicht einmal die unzureichenden Sicherheitsbestimmungen der Berufsgenossenschaften ein. Mit den Folgen stehen viele Bildschirmarbeiterinnen alleine da. Ingeborg May-Steinhausen möchte das ändern. Die Konstruktionszeichnerin, die früher ganztags an sogenannten CAD-Bildschirmen saß, hat eine „Informationsstelle für Bildschirmgeschädigte“ gegründet. Sie steht Betroffenen mit „Tips zur Selbsthilfe“ zur Seite - und gibt Ratschläge für den Umgang mit desinteressierten Chefs und abwiegelnden Ärzten.

Thomas Gesterkamp (fp)

Informationsstelle für Bildschirmgeschädigte, Ingeborg May -Steinhausen, Brückenstraße 50, 6000 Frankfurt/Main 70, Telefon 069-61 47 07

*Buchtip: Carola Schewe Krank durch Computer... und wie man sich dagegen schützen kann - rororo aktuell, Februar 1989, 8,80 Mark