ZWISCHEN ZWEI WELTEN

■ „Kismet, Kismet“ im Sputnik Südstern

„Erst kamen sie in Scharen, dann nahmen sie uns die besten Arbeitsplätze bei der BSR weg, und jetzt machen sie auch noch Filme!“ spöttelt launisch das Sputnik-Kino in seinem Programm über Ismet El?is „Kismet, Kismet“, und all den deutschen Hohlköpfen, deren Filmverstehen darin erschöpft ist, morbid-schöne Westernmelodien für miese Hetzkampagnen zu mißbrauchen, sei es nochmal aufs blinde Auge gedrückt jaja, nun machen sie auch noch Filme, die Türken, und wer muß dafür blechen, natürlich der deutsche Steuerzahler und sowieso, sich zu allem Überdruß noch Türkenfilme im Kino angucken, wo doch jeder, der „zweimal täglich mit der Berliner U-Bahn fährt, das Gerede über 'ausländische Mitbürger‘, 'Integration‘ und 'Weltoffenheit‘ nicht mehr hören kann...“ (Zitat aus einem 'Spiegel'-Leserbrief).

Genug davon: Ismet El?i ist Ismet El?i, ein junger Türke, der seit zehn Jahren in Berlin lebt und ich weiß nicht, wie lange schon davon träumt, einen eigenen Film zu drehen. Was liegt da näher, als diesen Traum mit einem Film über das (eigene) Leben zwischen zwei Welten zu realisieren, verpackt in eine Geschichte, wie man darüber einen Film machen kann oder könnte. 1986/87 ist „Kismet, Kismet“ entstanden, und El?i hat in seinem Erstling, den er selbst als „Übung“ ansieht, mit absolut knappem Budget nicht nur als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur an allen Ecken und Enden des Zelluloids gewirbelt; in die Hauptrolle des Kemal ist er gleich mit reingeschlüpft, warum stellt er im Film auch unmißverständlich klar: „Entweder werde ich Schauspieler, oder ich bringe mich um!“

Tatkräftig unterstützt wurde El?i bei seinem Projekt von der Berliner Filmcrew um Lothar Lambert (Filmschnitt, Schauspielerei), in dessen Film „Verbieten verboten“ El?i den Türken spielt, der sich als Italiener ausgibt. El?i selbst hat bei Lamberts Filmen nicht schlecht abgeguckt, was als Kompliment und nicht als Klau zu verstehen ist. In rüden, schroffen Schwarzweißbildern, die stimmig die Alltagsatmosphäre einfangen und in jeder Hinsicht ungekünstelt wirken, bringt El?i mit stets selbstironischem Augenzwinkern seine Melancholie und Hoffnungslosigkeit genausogut rüber, wie sein sicheres Gespür für Situationskomik erfrischend lebendig ist. Auf die zumeist hilflose Wut im Bauch, die sich anstaut, wenn man vom Leben nur noch Prügel bezieht, verzichtet er dabei nicht; Schönfärberei und sozialarbeiterische Helfersyndrome sind nicht sein Ding.

Wie ein Fisch im Wasser tummelt sich El?i bei den Aufnahmen zum „Film im Film“, da läuft er zu Hochform auf, und allen Beteiligten ist die Lust am Filmemachen richtig anzusehen. Per Kleinanzeige lernt er den schmierigen, zwielichtigen Frank kennen (ganz toll: Wieland Speck), der sich als DFFB -Maulaffe großtut und am Ende Kemals hart erspartes Filmbudget durchbringt. Hinreißend komisch sind die Szenen, wenn die ersten Probeaufnahmen mit den Laienschauspielerinnen gemacht werden oder wenn sich die beiden während eines Interviews mit der taz-Filmschreiberin (gespielt von Ulrike S., die auch Regieassistenz gemacht hat) darüber in die Haare kriegen, wer von ihnen denn nun die Regie führt.

Ein wenig schade ist, daß El?is dabei gesprochener Kommentar aus dem Off einfach zuviel des Guten ist und dem Geschehen auf der Leinwand etwas die Luft rausnimmt. Hat er da kein Vertrauen in seine Erzählweise, seine Bilder gehabt? Zu wünschen ist El?i jedenfalls, daß ihm nach „Kismet, Kismet“ mehr bleibt als nur „die Liebe zum Kino“.

Andreas Döhler

Bis zum 30. April im Sputnik Südstern, im Mai im Kid.