Der Senat mit dem besonderen Touch

■ Beim neuerlichen Besuch Walter Mompers in der Neuköllner Öffentlichkeit wollten alle Bürger den Regierenden anfassen / Keine Skepsis mehr auf der Straße gegenüber Rot-Grün / Vor wenigen Wochen war die Stimmung noch anders

Kein Zweifel, das Bad in der Neuköllner Menge genießen sowohl die Menge als auch die Regierenden. Beim „Stadtgespräch - ein Senat zum Anfassen“ sieht man nur zufriedene Gesichter. Am gleichen Ort schallte Walter Momper vor zwei Monaten der Unmut über sein geplantes Zusammengehen mit der AL entgegen. Heute, nach fünfwöchigem rot-grünen Regieren, ist die Stimmung ganz anders. „Selbst diejenigen, die vorher gesagt haben, die Grünen dürfen nicht regieren, sagen jetzt: Na ja, ist ja vielleicht gar nicht so schlecht“, freut sich ein entspannter Regierender Bürgermeister auf dem Podium. Er appelliert an die Toleranz

-jeder soll nach seinem Lebensentwurf, alle sollen miteinander leben - und erntet dafür Beifall besonders von den vielen Türken, die stehengeblieben sind. Launig plaudert er von seinem Besuch bei US-Präsident Bush, von seinen vielen Terminen und wie das war, als die BesetzerInnen in seinem Büro auftauchten. (Isses nich nett, das Leben?! diek.)

Das Neuköllner Publikum reagiert durchweg positiv. Selbst, als er seine Hungerstreikinitiative erklärt und sehr bestimmt sagt, daß Mörder schließlich „auch noch Menschen“ sind, brüllt niemand dazwischen, und viele klatschen.

Begehrte Gesprächspartner sind neben dem Star im dunkelblauen Anzug auch die beiden Senatoren Wolfgang Nagel und Erich Pätzold. Der Innensenator mischt sich unter das ihn umdrängende Volk, ohne daß Polizei oder Leibwächter zu sehen wären. Er lobt die Alternativen gegenüber einem skeptischen älteren Herrn, bittet einen jungen Türken um Geduld, weil man nicht alles auf einmal erreichen könne, erklärt, warum man Probleme nicht mit mehr Polizeipräsenz auf der Straße lösen kann. Als jemand auf „die Chaoten aus Kreuzberg“ schimpft, kontert er, daß nicht nur die Vermummten schlimm seien, sondern die Wirtschaftskriminellen und Umwelttäter, gegen die kein Greiftrupp vorgehe. „Ich finde das wunderbar, daß Sie hier sind!“ bescheidet ihm dann auch ein Umstehender.

Ein Kleingärtner, der angibt, er habe sich auch schon an die „Republikaner“ gewandt, trägt nun dem SPD-Bausenator sein Problem vor: Die Miete sei einfach nicht mehr bezahlbar. Der Bausenator findet das Bezirksamt eindeutig eine bessere Adresse als die Reps und bringt ihn gleich mit jemanden zusammen. Die alten Häuser endlich abreißen und ganz hoch bauen, schlägt jemand Nagel vor. Der widerspricht und meint daß Sanierung oft sinnvoller sei. Verschmitzt lächelnd, in einem zu lang geratenen verknitterten Anzug, ist er ganz in seinem Element, als er einem jungen Vater in beengten Wohnverhältnissen seine Idee einer Art Wohnungstauschbörse mit Hilfe von Computern erläutert.

Doch trotz des Andrangs bei den beiden Senatoren: Autogramme wollen die Leute nur vom Chef. Groß und Klein reicht Zettel, Postkarten und Flugblätter rüber, um sie signieren zu lassen. Einer gibt ihm das Foto einer sich im Gras räkelnden Frau. Für die Freunde in der DDR sei das, und so schreibt es Momper auch hintendrauf: „Besonders für Christiane.“

RiHe