Neue Gewalt in El Salvador

85 Menschen festgenommen / Überfall auf Klinik Kranke und Kinder unter den Festgenommenen  ■  Von Ralf Leonhard

Berlin (taz) - Noch bevor die rechtsradikale Arena formell die Regierung übernimmt, wird El Salvador mit einer neuen Repressionswelle überzogen. Polizei und Nationalgarde haben in den letzten Tagen bei Aktionen gegen die Volksorganisationen über 85 Personen festgenommen.

Thomas Gebauer, Projektleiter der in Frankfurt ansässigen Hilfsorganisation „medico international“, machte gerade Interviews im Lokal des Vertriebenenkomitees Cripdes, als die Finanzpolizei am vergangenen Mittwoch das Gebäude umstellte. Nach sechsstündiger Belagerung drangen die Uniformierten ein und verfrachteten alle in das Hauptquartier der Finanzpolizei. Bei den Festgenommenen handelte es sich in erster Linie um alte Leute, schwangere Frauen und Kleinkinder, die in der kleinen Klinik, die im Innenhof des Cripdes-Lokals untergebracht ist, auf ihre Untersuchung warteten.

Gebauer, der sich als Journalist für den 'Hessischen Rundfunk‘ ausweisen konnte, wurde umgehend auf freien Fuß gesetzt. Auch die Gebrechlichen, Schwangeren und Kleinkinder wurden nach kurzem Verhör dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz übergeben. Der Rest der Patienten und das Personal von Cripdes, darunter die Vorsitzende Isabel Hernandez, befinden sich aber noch im Gewahrsam der für ihre Folterpraktiken berüchtigten Finanzpolizei. Ob die US -Amerikanerin Stephanie Groebel von den Internationalen Friedensbrigaden, die Australierin Eva Scarse und eine junge Engländerin auch noch festsitzen, wußte Gebauer nicht. Die Militärs wollen in dem Lokal „kommunistische Propaganda“ und Molotow-Cocktails sichergestellt haben. Thomas Gebauer meint dazu, selbst wenn es die gegeben hätte, dann hätte man Zeit genug gehabt, sie zu vernichten. Bereits am Morgen desselben Tages hatten die Sicherheitskräfte das Lokal des Komitees der Entlassenen und Arbeitslosen (Codides) und der KP-nahen Gewerkschaft Fuss gestürmt. Dabei wurden insgesamt 15 Aktivisten festgenommen. Gloria Alicia Galan Garcia vom Mütterkomitee Comadres war bereits in den frühen Morgenstunden von der Nationalpolizei abgeholt worden.

Die Verhaftungswelle wird allgemein als Vergeltungsaktion für das Attentat gegen Generalstaatsanwalt Roberto Garcia Alvarado interpretiert. Der der Rechten nahestehende Jurist war am Mittwoch durch eine Sprengladung getötet worden. Daß die Aktionen gegen die Volksorganisationen offensichtlich vorbereitet waren, spricht dafür, daß der Anschlag auf das Konto einer rechten Todesschwadron geht und nicht auf das der FMLN. Humberto Centeno, ein Führer des Gewerkschaftsdachverbandes UNTS, machte den künftigen Präsidenten Cristiani für die Unterdrückungswelle verantwortlich. Kommentar auf Seite 8