Hungerstreikdemo: Platzt die Einheit?

■ Jusos und Grüne wollen ihre Teilnahme vom Verlauf des Koordinationstreffens am Sonntag abhängig machen / Verfassungsschützer Lochte sieht in Hungerstreikunterbrechung „rein taktisches Kalkül“

Bonn/Berlin (taz) - Die Jungsozialisten in der SPD überlegen, ihre Teilnahme an der zentralen Hungerstreikdemonstration am 29.4. in Bonn zurückzuziehen. „Solltet ihr (...) in den nächsten Tagen keinen radikalen Schwenk vornehmen, sehen wir uns nicht in der Lage, die Demonstration weiter zu unterstützen“, heißt es in einem Brief des Bundesvorstandes der Jusos an das Koordinationsbüro. Es sei „schlichtweg eine Lüge“, so Vorständler Martin Gorholt, wenn die Initiatoren in einer Presseerklärung vom Wochenanfang als Konsens für die Demonstration die „Unterstützung aller Forderungen der Gefangenen“ ausgäben. „Dies stellt eine völlige Verfälschung des Diskussionsverlaufes dar“, schreiben die Jusos. „Durch eure Presseerklärung ist noch einmal deutlich geworden, daß ihr an einer breit getragenen Demonstration (...) nicht interessiert seid.“

Das Komitee für Demokratie und Grundrechte hat aus den gleichen Gründen bereits die Teilnahme abgesagt (taz vom 20.4.). Auch bei den Grünen ist die Kontroverse noch im Gange, unter welchen Bedingungen die Partei die Demonstration noch mittragen kann. Grüne und Jusos wollen nun das Koordinationstreffen am Sonntag in Köln abwarten und ihre endgültige Entscheidung vom Verlauf der Sitzung abhängig machen.

Das Hamburger Infobüro zum Hungerstreik betonte gestern in einer Presseerklärung, es gehe nicht darum, bei der Demonstration „Gruppen oder bestimmte Spektren auszugrenzen“. An die Adresse der Bonner Grünen gerichtet, heißt es: „Auf dem Vorbereitungstreffen wurde diskutiert, daß wir die Demonstration weder als Forum wollen, zum bewaffneten Kampf aufzurufen, noch als Forum, von den Gefangenen das Abschwören als Voraussetzung für große Gruppen zu verlangen.“

Der Hamburger Verfassungsschützer Christian Lochte hat in einem Interview in der gestrigen Ausgabe der 'Welt‘ erklärt, der Abbruch des Hungerstreiks von Christa Eckes und Karl -Heinz Dellwo sei lediglich „ein rein taktisches Kalkül“. Die Gefangenen wollten damit nur zur Fortdauer der breiten Unterstützungskampagne bis zur zentralen Hungerstreikdemonstration beitragen. Nach Lochte müsse damit gerechnet werden, daß Dellwo und Eckes kurz vor dem 29.April den Streik wieder aufnehmen.

Insgesamt befinden sich zur Zeit 19 Gefangene aus der RAF im Hungerstreik. An der Spitze der Hungerstreik-Kette stehen die in Berlin inhaftierte Gabriele Rollnik und im bayerischen Straubing Rolf Heißler. Beide verweigern jetzt seit 53 Tagen die Nahrungsaufnahme. Von den Gefangenen, die dem „Widerstand“ zugerechnet werden, hungern 22.

Hinzu kommen fünf „soziale Gefangene“, die zusammen mit den Gefangenen aus RAF und Widerstand mit dem kollektiven Hungerstreik ihre Zusammenlegung durchsetzen wollen. Aus Solidarität und/oder für eigene Forderungen haben haben sich nach Angaben des Hamburger Infobüros noch mindestens 25 weitere Inhaftierte dem Streik angeschlossen.

gn/wg

Düsseldorf (taz) - Wie die taz gestern aus dem Düsseldorfer Justizministerium erfahren hat, ist es bereits am Dienstag dieser Woche zu einer Unterredung zwischen dem in Köln -Ossendorf einsitzenden RAF-Mitglied Adelheid Schulz und dem nordrhein-westfälischen Justizstaatssekretär Heinz Hugo Röwer gekommen. Justizsprecher Wendorff erklärte, dieses etwa dreiviertelstündige Gespräch habe „in sehr sachlicher und guter Atmosphäre“ stattgefunden.

Unterdessen wurde weiter bekannt, daß die beiden RAF -Gefangenen Christa Eckes und Adelheid Schulz es strikt abgelehnt haben sollen, einen an sie gerichteten Brief der Brüder von Braunmühl anzunehmen.

Aus Anwaltskreisen verlautete, daß es bisher keine weiteren Gespräche zwischen den RAF-Gefangenen und den Justizministern oder Länderregierungen gegeben habe. Derzeit fänden „intensive Beratungen“ zwischen den inhaftierten RAF -Mitgliedern und ihren Rechtsanwälten statt.

Mit möglichen Gesprächen zwischen den Anwälten und Vertretern der SPD-geführten Bundesländer über deren Zusammenlegungsangebot in Kleingruppen sei nicht vor Anfang kommender Woche zu rechnen.

JN