Gott auf dem Sozius

■ 350 Motorradfreaks beim Drive-in-Gottesdienst auf dem Domshof

Ein ganzer Marktplatz voller Motorräder. Hunderte frischpolierter, chromblitzender Honda gold wing special editions, Suzuki Power-shields und Kawasaki Twin-Cam 16 Ventiler versammelten sich gestern mit götterdämmerungsgemahnendem Gedröhn am Fuße des größten Bremer Gotteshauses und waren gekommen aus aller Herren Nord -Bundesländer, Schutz zu erbitten für die frisch eröffnete Motorradsaison. Zum „Drive-in Gottesdienst“ hatte das evangelische Stadtjugendpfarramt geladen, und alles, was über 50 bis 1.500 Kubikzentimeter Hubraum verfügte, war gekommen, um sich der Nähe Gottes auf Autobahnen und Feldwegen zu vergewissern. Wie sagte Diakon und Motorradfreund Detlef von einer zur Kanzel umfunktionierten LKW-Ladefläche: „Gott sei vor Dir, neben Dir, hinter Dir, über Dir, unter Dir und in Dir.“

MotorradfahrerInnen sind offensichtlich gläubige Menschen. Kein Muckser, kein Anlasser, kein Motorheuler fuhr dazwischen, als der in priesterlichem Schwarz und eher unpriesterlichem Leder angetane Diakon der Zweirad-Gemeinde ausgerechnet mit der Emmaus-Geschichte kam und eher mühsame Analogien zwischen der Jünger-Gemeinde Jesu und der versammelten Fangemeinde des Motorrads verkündete. Zum Beispiel so: Den Emmaus-Jüngern muß es bei ihrer Inkognito -Begegnung mit dem auferstanden Herren ungefähr gegangen sein, wie einem Motorradfreak, dessen Kumpel einen verabredeten Reparatur-Termin verpennt. Daß der Herr sich so einfach ans Kreuz schlagen ließ, muß ihnen in die Glieder gefahren sein, wie dem Shopper-Fahrer die Nachricht, daß ein bestelltes Ersatzteil noch immer nicht eingetroffen sei: „Wenn mich meine Maschine im Stich läßt, geht es mir auch so, wie den Jüngern, die sich von ihrem Herrn im Stich gelassen fühlten.“

Bibel-Exegese hin, Motorrad-Bastelnachmittag her: Manch Schwerbehelmter bekannte da seinen Glaubenund räumte ein, wie Gott ihn schon vor allzu riskanten Kurvenfahrten bewahrt habe. Und als auf der improvisierten Freiluftkanzel das „Vater unser“ mit ein paar hundert Watt über den Marktplatz dröhnte, da standen die scheinbar so hartgesottenen, abenteuerlustigen, freiheitsliebenden Motorradfreaks mit gefalteten Handschuhen: Geheiligt werde Dein Name.

K.S.