Doppelt RAUCHige ZEITzeichen

■ Hans-Georg Rauch, der regelmäßig eine bekannte deutsche WochenZEITung mit einer Karikatur beliefert, kommt ursprünglich aus Worpswede und stellt, zusammen mit seiner Frau, z.Z. in der Villa Ichon aus

An Rang und Namen kann er es inzwischen mit jedem Saul Steinberg und Paul Flora aufnehmen, der Herr Rauch aus Worpswede, der regelmäßig eine bekannte deutsche Wochenzeitung mit einer Karikatur beliefert, die sich zwar nicht „Rauchzeichen“, aber „Zeitzeichen“ nennt. Der Meister des feinen Strichs stellt nun in Bremen aus, der Stadt seiner ersten Meriten (Illustrationen für den Weserkurier), und lieb hat er

auch seine Frau mitgebracht, auch musengeküßt, aber von lehmiger Gottheit: sie töpfert. Und so fällt Rauchlicht auch auf sie.

Das ist nett gemeint, aber in der Wirkung gemein; denn spektakulär sind seine Bilder, und ihre Tongebilde sehen wir uns aus einem etwas gequälten Gerechtigkeitsgefühl an.

Dabei hätte Ursula Rauch auf jeden Fall ein ungeteiltes Interesse verdient. Denn was sie aus

Dreck macht, ist ganz unglaublich: sie beherrscht die Kunst, irdene Tücher zu brennen. Und ihre Farben hat sie sich nach vergessenen chinesischen Rezepten hergestellt, wonach sie wunderschöne Marmorierungen erzielt.

Weil Frau Rauch, 1943 in Heidelberg geboren, ab 1971 als Gebrauchskeramikerin ausgebildet wurde, lassen sich auch die leichtsinnigsten Faltenschläge noch als Vase, die barock -gelockten Fla

chobjekte als Schalen verwenden.

Seit einiger Zeit entstehen eher Objekte, die in einen spannungsvollen Zusammenhang gebracht sind: eingedruckte Pyramiden und metallisch glasierte Kugeln; leichte „Tücher“ mit schweren Kugeln. In der Zeit der ersten Tschernobyl -Nachrichten verließ ein Objekt ihren Brennofen, das den Moment nach dem Aufeinanderprall zweier Kugeln fixiert: „Umwelt“ spricht vom Wissen um das viele, was zerstört wird, und das wenige, was dagegen getan wird.

Der Versuch von Senatsrat Opper, zur Eröffnung Bezüge zwischen den Rauchschen Oeuvres herbeizureden, war redliches Bemühn, aber die große Zahl von Hans Georg Rauchs teil großformatigen Graphiken, Aquarellen und Collagen drückt das Irdene seiner Gattin in ihren Vitrinen zusammen: monologisch; besessen; penibel.

„Mein Gott, welch ein Pingel! Aber schön! Mit welcher Feder entsteht sowas?“ (Eine Vernissage-Gängerin). Madame, nicht die Feder ist's, es ist die Hand, die die Feder führt! Eine ganz und gar ruhige Hand für lange zitterfreie Linien, eine nimmermüde Hand für die zehntausende Dünnstriche, Winzigstriche, Schwingstriche, Dickstriche, Dickdünnstriche, Häßlichstriche. Eine Hand mit „Swing“, die ein Stück Baumrinde zum Tanzen bringt.

Und ein Charakter gehört dazu, der vielleicht folgendes kennt: die soeben nicht pathogene Liebe/Haßliebe zur kristallin-toten Struktur, denn Rauchs Blätter enthalten immer solche Versatzstücke hermetischer Strukturen - mit Vorliebe akribische Aufrisse von Architektur Wolkenkratzern, Kathedralen, barocken Prunkvillen. Als hätte Rauch sie

geplant (oder gar bauen wollen...).

Und: Maschinen, wie von einem frühen Ingenieur des 18. Jahrhunderts entworfen. Und die Muster von Borke. Eines Strickzeugs. In solchen Mustern (H.G. Rauch hat mit Werbegraphik auch die Industrie bedient) strukturieren sich seine Lieblingsobjekte, die neuzeitlich-zeitlosen Massenmenschen, mikrobische Teile eines durchaus nicht amorphen Menschenbreis, der wogt, schwappt stramm steht, sich zum Rand hin verdünnt, lenk-, knet-, ausrichtbar ist, aus dem man Straßen, Häuser, Landschaften, Superkörper schaffen kann.

Es geht um Zeiterscheinungen, Zeitgeist, Zeitläufte, die Rauch kommentiert, vielleicht auch kritisiert, wenn die Ästhetisierung finsterer Geschichten denn Kritik noch mitschleppt. („Verkabelt, „Landfriedensbrecher“, „Nordsee“, „Freiheit, statistisch gesehen“). Rauch ist nie aktuell im Sinne einer Tageszeitung.

Neuere Arbeiten Rauchs lassen vermuten, daß er so langsam seinen zwangscharakterlichen Zügen Raum genug gegeben hat: breite Pinsel werden entdeckt, Aquarellfarben, es entstehen Landschaften („Berner Oberland“, „Kreta“, „Schottland“) aus bunten Strichen. Und Collagen. Mal ein Stückchen Nacktes aus dem Playboy. Mal sieht es aus wie ausgeschnitten, und ist doch gemalt. Optische Täuschungen, Tricks.

In „Volkshochschule“ arbeiten Winzmännchen an Leinwänden, die aus Hintergrund bestehen. H.G. Rauch ist fünfzig. Und wird heiter.

Burkhard Straßmann

Die Rauch's. H.G. Rauch und Ursula Rauch. Villa Ichon, 21.4. bis 17.5.