Post, Prost, Protest

■ Richtfest für Postamt 5 und gegen Postminister Schwarz-Schillings Trennungs-und Postler-Entrümpelungspläne „Schnäuzpausen“ gekürzt / Großes Loch in denkmalgeschützte Wand gebrochen / 1990 soll alles in Betrieb gehen

Heißa, war das ein Trubel am Dienstag morgen vor der gigantischen Baustelle des Postamts 5 am Bremer Bahnhofsplatz. Der Bundespostminister, zum Richtfest der 175 Marks-Bauinvestition des immer noch von ihm verwalteten Ministeriums gekommen, erregte Aufsehen bei einer Postgewerkschaftlerin („Mein Gott, was sieht der Mann kaputt aus, völlig zu!“) und Anstoß bei vielen ihrer KollegInnen. Ihre hellen Scharen funktionierten das Richtfest zu einem solchen gegen den Minister um. „Zum Richtfest hoch die Gläser, Schwarz-Schilling in die Weser“ empfing ihn ein Plakat, als er über das Portal der Baustelle schritt, und gräuslich grinste ihm die durchgepaukte Trennung des gelben vom grauen (Fernmelde-) Bereichs entgegen, in Gestalt einer Phalanx halb gelb halb grau bemalter Gesichter der versam

melten PostlerInnen. Die hatten ihren freien Tag, ihre freie Schicht oder ihre Freistellung genutzt, Farbe, Plakate und zureichend Trillerpfeifen mitgebracht, um die die herzigen Klänge des Blasorchesters kläglich absaufen zu lassen, und die von ihnen geworfenen Eier erwischten zwar nicht den kaputten Minister, streiften aber immerhin den Bremer Senatspräsidenten und Bürgermeister, Klaus Wedemeier.

Was die DemonstrantInnen noch erbost: Als Antwort auf den lohnmoderaten Tarifabschluß und die Einführung der 39 -Stundenwoche seien statt der notwendig werdenden 12.000 nur 3.000 neue MitarbeiterInnen eingestellt worden, zur Arbeitsintensivierung für die restlichen aber die „Schnäuzpausen“ gekürzt und eine „Entrümpelungsverfügung“

zum Entrümpeln der unteren Dienstgrade erlassen worden.

Kurz nachdem die Kollegin, die mir das erzählt hat, zum alternativen Richtfest mit vorzüglicher Erbsensuppe Plakat: „Die Bonzen durften rein, die Beschäftigten feiern im Freien“ - ging, erhob droben im geschützten, notdürftig warm gefönten Festsaal in der Baustelle der Minister die Stimme. Zum Lobe der 175 Millionen-Investion sowie seiner kontinuierlichen Förderung der Bauwirtschaft durch Postbauten (wobei er zu erwähnen vergaß, daß das Architekten

team aus Hamburg bestellt wurde und die Stahl- und Gerüstbaufirma ebenfalls von außerhalb kam). Auf den Tischen standen Batallione Alter Senator und Hullmanns Roter, auf den langen Bänken saßen Batallione von Männern, Postler, Bauarbeiter, „Gäste“, bedient von den lieblichen Maiden aus der Postkantine und von Uni-Konrektor Hermann Cordes, der den Bauarbeitern an seinem Tisch freundlich nachschenkte.

Ja, und dann ist da noch das Postamt 5. 800.000 Briefe, 42.000 Pakete und ebensoviele

Päckchen aus Unterweser, Oldenburg und Ostfriesland sind hier täglich zu verteilen. Und 700.000 Pakte, 200.000 Briefbeutel und 70.000 Transitsäcke werden in Bremen so umgeschlagen, daß sie per Schiff nach Nord-und Südamerika gehen können. Deshalb ist, Denkmalsschutz hin und her, ein großes Loch neben der zu eng gewordenen alten Lastwageneinfahrt in die Wand an der Straße An der Weide geschlagen worden, deshalb führen 700 m „nutzbare Gleiskantenlänge“ von hinten in das Gebäude und an seiner Rückseite vorbei. Im mord

steuer ausgeschachteten Keller-und im Ergeschoß sollen die kleinen und großen LKWs landen, riesige Förderbänder das Angelandete in eine riesige Sortierhalle transportieren. 1.300 Menschen werden hier arbeiten, etliche davon allerdings, obwohl die Oberpostdirektion ausgegliedert wurde, in den Büros hinter den denkmalsgeschützten Blaubackstein-Fassaden zum Bahnhofsplatz und zur Straße an der Weide hin. Mitte 1990, so ist es geplant, werden wir das alles in Betrieb nehmen.

Uta Stoll