„Nazis raus!“ wörtlich genommen

■ Bremerhavener Anarchist packte Hans Altermann am Kragen und muß dafür 500 Mark Geldstrafe zahlen / Amtsgericht verurteilte ihn wegen Körperverletzung des DVU-Stadtverordneten

Gut 100 DemonstrantInnen hatten am 15. Oktober 1987 die frisch gewählte Bremerhavener Stadtverordneten-Versammlung gestürmt, um gegen den Einzug von zwei Abgeordneten der rechtsextremen DVU - Liste D zu protestieren. Während die Menge sich darauf beschränkte, „Nazis raus!“ zu rufen, nahm Mike D. die Parole damals wörtlich, sprang zwischen die Abgeordneten und packte das DVU

Mitglied Hans Altermann am Kragen. Gestern präsentierte ihm das Bremerhavener Amtsgericht die rechtsstaatliche Quittung dafür: 500 Mark Geldstrafe und Übernahme der Gerichtskosten.

Hans Altermann, der gestern als Zeuge der Staatsanwaltschaft auftrat, erinnerte sich an die konstituierende Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung: „Ich wurde bis zur Tür geschleppt, bekam einen Schlag ins Gesicht und

prellte mir im Gerangel die Hand an der Türfüllung. Dann kamen die ganzen Leute rein, es flogen Bierflaschen und Silvester-Knaller.“ Die beiden Polizisten, die damals Mike D.s Personalien festgestellt hatten, bestätigten Altermanns Version des Vorgangs im wesentlichen.

Im Zuschauerraum des Amtsgerichts drängelten sich gestern rund 70 der 100 antifaschistischen Demonstranten vom

15.10.87. Sie unterstützten Mike D. mit kräftigem Applaus, als er zu Beginn der Verhandlung seine Erklärung abgab. „Ich bin Anarchist und ich gestatte niemandem, über mich zu richten. Und ein deutscher Staatsanwalt, der mich am 100. Geburtstag des deutschen Diktators vor ein deutsches Gericht schleppt, der wird es nie lernen. Tod den Faschisten, es lebe die Anarchie“, rief er mit erhobener Faust.

Doch Amtsrichter Höhle ließ sich weder vom anarchistischen Bekenntnis des Angeklagten noch vom zwischenrufenden Publikum davon abhalten, den Prozeß zu einem schnellen Ende zu bringen. Schweren Hausfriedensbruch, wie ihn Oberstaatsanwalt Tschepan angeklagt hatte, konnte er in dem Gerangel zwischen gewähltem DVU-Abgeordneten und aktivem Antifaschisten nicht sehen. Wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruch befand er schließlich auf 25 Tagessätze a 20 Mark. Teurer wird für Mike D. allerdings die Kostenentscheidung. Er muß nämlich auch die Anwaltskosten des Nebenklägers Hans Altermann zahlen. Und die

dürften um 1.000 Mark liegen.

Dabei hatte Altermanns Anwalt sich an der Hauptverhandlung nicht beteiligt. Er meldete sich nur zu einem kurzen Plädoyer zu Wort. „Hier sind die Spielregeln unseres Staates verletzt worden, ich halte das für eine sehr gravierende Tat“, meinte er und forderte eine „erheblich höhere Strafe“ als die 30 Tagessätze, die der Oberstaatsanwalt beantragt hatte.

Richter Höhle hatte in seiner Urteilsbegründung noch einen guten Rat für den Verurteilten: „Mit Gewalt stärkt man letztlich nur den politischen Gegner“. Doch da waren Mike D. und das Prozeß-Publikum ganz anderer Meinung: „Ob ich Gewalt anwende oder nicht, das entscheide ich autonom, Du Pfeife“, antwortete der Anarchist unter Applaus.

Dirk Asendorpf

Mike D. ist (soweit uns bekannt) der einzige Antifaschist, der für eine Aktion gegen die rechtsextreme DVU im Land Bremen verurteilt wurde. Damit er auf der Strafe nicht sitzen bleibt, sammelt die taz Schecks (vgl. Kommentar -Kasten).