Am Ende ihres Lateins: Die Afghanistanpolitik der USA

Die bevorzugte Belieferung der islamischen Extremisten mit US-Waffen durch den pakistanischen Geheimdienst ist den Vereinigten Staaten ein Dorn im Auge / Die USA haben jedoch kein einheitliches Konzept, um mit dieser Situation fertig zu werden / Grabenkämpfe zwischen US-Außenministerium und dem CIA  ■  Von Khalid Duran

Hamburg (taz) - Die mit Afghanistan befaßten US-Politiker fühlen sich von ihren pakistanischen Verbündeten seit langem hintergangen und übervorteilt, weil diese bei der Verteilung der US-Waffen in erster Linie die radikalen Islamisten unter Hikmatyar begünstigen. Solange Pakistans militärischer Sicherheitsdienst ISI mithalf, den Sowjets eine Niederlage zuzufügen, drückte man in Washington ein Auge zu. Nun aber hat sich der selbstherrliche ISI als unfähig erwiesen, den Mudschaheddin zur Einnahme einer größeren Stadt zu verhelfen - im Gegenteil: Pakistanisches Drängen auf den Kampf um Dschalalabad hat zu einer schweren Schlappe für die Guerillakämpfer geführt.

Für die USA ist dabei besonders ärgerlich, daß ihnen nun der Vorwurf gemacht wird, die unproportionale Aufrüstung der Extremisten sei von ihnen veranlaßt. Die Mehrheit der Mudschaheddin scheint jedenfalls der Meinung zu sein, der ISI handele nur im Auftrag der USA. Dieses Image hat einige verantwortliche Kreise in den USA in helle Aufregung versetzt und zu überdeutlichen Stellungnahmen nicht nur gegen Hikmatyar, sondern auch gegen dessen pakistanische Hintermänner bewogen. Seit der Jahreswende erscheint in prominenten Blättern wie der 'New York Times‘ oder der 'Washington Post‘ ein Beitrag nach dem anderen voll kritischer Stellungnahmen zum pakistanischen Herumpfuschen in der Afghanistanpolitik.

Unmittelbar nach dem Flugzeugabsturz des Militärdiktators Zia-ul-Haq im August 88 hatte man geradezu frohlockend geäußert, die USA könnten nun eine ausgewogenere Verteilung der Waffen vornehmen. Dabei wurde wiederholt mit aller Schärfe zum Ausdruck gebracht, die USA müßten die Waffenverteilung in die eigenen Hände nehmen. Bislang schien diese Forderung illusorisch - angesichts der Machtfülle des ISI, der unter Führung von General Hamid Gul die eigentliche Nachfolge Zia-ul-Haqs antrat. Der Ministerpräsidentin Benazir Bhutto sind Außen- und Verteidigungspolitik erst einmal vorenthalten worden. Sie ist wenig mehr als eine geduldete Galionsfigur. Erschwerend wirkt sich aus, daß der im August letzten Jahres als Botschafter nach Islamabad entsandte Stardiplomat Oakley den Washingtoner Afghanistanplänen einen Strich durch die Rechnung machte. Er scheint große Stücke auf den ISI zu halten und hat dabei den CIA auf seiner Seite. Aus der Sicht des CIA ist allein entscheidend, daß der ISI sein Soll mit Glanz erfüllt hat.

Um die propakistanische Rolle von Botschafter Oakley auszugleichen, wurde im State Department die Entsendung eines Sonderbeauftragten bei der Übergangsregierung der Mudschaheddin beschlossen. Damit gäbe es dann in Pakistan zwei US-Botschafter; denn die provisorische Regierung der afghanischen Exilparteien hat ja im Heimatland immer noch nicht Fuß fassen können.

Die provisorische Regierung ist bisher nur von Saudi -Arabien und dessen Vasallenstaaten Bahrain und Sudan anerkannt worden. Die USA geben vor, sie wollten mit der Anerkennung warten, bis die Mudschaheddin eine größere Stadt in Afghanistan erobert und ihre Regierung dorthin verlegt hätten. Der wahre Grund für die Zurückhaltung Washingtons ist jedoch die Ernennung des extremistischen Hikmatyar zum Außenminister der Übergangsregierung.

Seine ersten Auslandsbesuche führten ihn nach Iran und Libyen. In früheren Jahren hat er seine Mudschaheddin -Kollegen kritisiert, weil sie dem „Großen Satan“ im Weißen Haus ihre Aufwartung machten. Daß der Erzopportunist Hikmatyar zur gleichen Zeit Franz-Josef Strauß besuchte und über zwei Jahre hinweg von der Hanns-Seidel-Stiftung der CSU ausgehalten wurde, war in Washington bis lang nicht einmal registriert worden. In Washington hat noch kaum jemand eine konkrete Vorstellung davon, wie ISI und Hikmatyar ausgeschaltet werden können. 72 Prozent der befragten Flüchtlinge sprachen sich für eine konstitutionelle Monarchie aus, weniger als ein Prozent für die Islamisten. Der renommierte Soziologieprofessor Banauddin Madschrun, der diese Befragung durchführte, wurde wenig später in der pakistanischen Provinzhauptstadt Peschawar ermordet. Bei allgemeinen Wahlen wäre der populäre Intellektuelle womöglich Ministerpräsident geworden.

Inzwischen hat sein Sohn die Nachfolge als Sprecher der unabhängigen Nationalisten übernommen. Ob die Amerikaner dieses Potential noch in ein Pendant zur Laufbahn Corazon Aquinos auf den Philippinen ausbauen können, erscheint fraglich. Ein Weg heraus aus diesem amerikanischen Dilemma könnte die von Benazir Bhutto in Angriff genommene völlige Umstrukturierung der pakistanischen Sicherheitsdienste bieten. Dabei ist jedoch eine gehörige Portion Wahnwitz seitens der jungen Ministerpräsidentin im Spiel. Die USA müßten schon auf ihrer Seite intervenieren, wenn dieser ungleiche Kampf gegen den allmächtigen ISI zu Benazir Bhuttos Gunsten ausgehen soll.