Beijing: Studenten streiken unbefristet

■ „Vereinigter Studentenverband“ plant landesweite Propagandakampagne / Führung soll verhandeln

Beijing (dpa/wps/ap/taz) - In der chinesischen Hauptstadt Beijing haben die Studenten von fast allen Universitäten gestern mit einem unbefristeten Vorlesungsboykott begonnen. Parallel dazu versammelten sich etwa 15.000 ihrer KommilitonInnen auf einem Universitätssportplatz, um für die Zulassung unabhängiger Zeitungen sowie mehr Freiheit und Demokratie zu demonstrieren. Damit wurden die Proteste fortgesetzt, die in der letzten Woche mit Trauermärschen für den verstorbenen einstigen KP-Chef und liberalen Reformer Hu Yaobang ihren Anfang genommen hatten und mit teilweise gewalttätigen Ausschreitungen auf andere chinesische Städte übergriffen.

Der vor kurzem gegründete unabhängige „Vereinigte Studentenverband“ hat indes angekündigt, die chinesische Bevölkerung in einer landesweiten Aufklärungskampagne über ihre Ziele zu unterrichten. Die Organisation, in der erstmals seit Bestehen des sozialistischen Chinas vor genau 40 Jahren ohne Kontrolle der staatlichen Behörden Studentenvertreter frei gewählt wurden, hatte in den letzten Tagen bereits Spendensammlungen auf den Straßen der Hauptstadt organisiert. Viele Bürger zeigten, anders als bei früheren Protesten, deutliche Sympathie und spendeten Geld, mit dem die weitergehenden Protestaktionen finanziert werden sollen. Außer demokratischen Reformen fordern die Studenten das Recht auf die Herausgabe unabhängiger Zeitungen, höhere Bildungsausgaben, die Veröffentlichung der Gehaltslisten für Funktionäre und Ermittlungen gegen Polizisten, die während der jüngsten Demos gewaltsam gegen Studenten vorgingen.

In Beijing trafen am Montag Berichte über Massendemonstration in der südwestchinesischen Stadt Chengdu ein. In der Provinzhauptstadt der chinesischen Kornkammer und landwirtschaftlichen Musterprovinz Sichuan soll es am Wochenende zu Ausschreitungen gekommen sein. Über 10.000 Menschen hatten sich nach Angaben eines lokalen KP -Funktionärs versammelt, um Hu Yaobang zu gedenken. Aus der Menge heraus hätte dann aber eine Gruppe „Arbeitslose“ zweimal versucht, die Büros der Stadtverwaltung zu stürmen. Ähnliche gewalttätige Ausschreitungen von arbeitslosen Landarbeitern und verarmten Straßenhändlern waren am Wochenende bereits aus den Städten Xian und Changsha gemeldet worden.

j.k.