Deutscher Paß für Karin Eitel

■ In Chile in Unterrsuchungshaft, weil sie bei der Entführung eines Offiziers geholfen

Seit anderthalb Jahren sitzt Karin Eitel-Villar im Gefängnis der chilenischen Militärdiktatur. Bisher als Chilenin, in wenigen Tagen als Deutsche. Das Bonner Innenminsterium hat grünes Licht für ihre Einbürgerung gegeben. Die Urkunde und der bundesdeutsche Paß sind auf dem Weg nach Chile. Frei kommt sie deswegen noch nicht, aber immerhin kann sie auf eine Abschiebung in die Bundesrepublik hoffen.

In den vergangenen achtzehn Monaten mußte Karin Eitel -Villar Wut und Rache der chilenischen Militärs über sich ergehen lassen. Einer von ihnen, der Armeeoberst Careno war im Herbst 1987 von der Guerilla-Gruppe „Frente Patriotico Manuel Rodrigues“ entführt und erst wieder freigeslassen worden, nachdem seine vermögende Familie Lebensmittel und Kleidung im Wert von 50.000 Dollar in die Slums von Santiago geliefert hatte. Kein

einziger der Entführer ging bisher ins Netz der chilenischen Polizei. Nur Karin Eitel-Villar wurde gefaßt. Ihr warf die Polizei vor, sie habe den Kontakt zwischen der „Frente“ und der Familie Carrenos hergestellt und ihr die Forderungen der Entführer übermittelt.

Für ihre Angehörigen und Freunde war Karin nach der Festnahme erstmal „verschwunden“. Bis zum zweiten Dezember 1987, dem Tag, an dem der Oberst Carreno von seinen Entführern freigelassen wurde. Im Kanal 7 des chilenischen Fernsehens war Karin an diesem Abend zu sehen, wie sie, grell geschminkt und mit monotoner Stimme, ihre Beteiligung an der Aktion zugab. Um das fünfminütige Videoband zu produzieren, habe der Geheimdienst mehrere Stunden gebraucht, erzählte sie später ihrem Bruder. In den „Drehpausen“ sei sie immer wieder bedroht und ge

schlagen worden. Häufigste Technik: das „Telefon“. Dabei schlugen die Folterer ihr gleichzeitig auf beide Ohren. Einer dieser Schläge beschädigte bei Karin das Kranium, einen Schälocheader Sle. ie Folter, die Karin Eitel-Villar erdulden mußte, war für den Bremer Bundestagsabgeordneten Ernst Waltemate Grund genug, sich für ihre Einbürgerung einzusetzen. Anfang April war er als Mitglied des Unterausschusses Menschenrechte des Bundestages in Chile und hat Karin Eitel-Villar besucht. Sie wolle in die Bundesrepublik kommen und so bald wie möglich ihr Studium fortsetzen, berichtete Waltmate der taz.

Ohne ihren deutschen Urgroßvater hätte Karin Eitel-Villar wohl jetzt keinen deutschen Paß bekommen. Karl Wolfgang Friedrich Eitel, war Mitte des vorigen Jahrhunderts nach Chile ausgewandert. Paragraph 13 des

Reichs-und Staatsangehörig keitsgesetzes billigt einem „ehemaligen Deutschen, der im Ausland wohnt“ und seinen Nachfahren die deutsche Staatsangehörigkeit zu.

Wie es nun weitergeht? „Immerhin ist die deutsche Botschaft in Santiago jetzt verpflichtet, sich um sie zu kümmern“, sagt Helga Schmidt-Wulff, eine Verwandte Karins aus Oldenburg, die sich intensiv um die Freilassung Karins bemüht hat. Ihrer Meinung nach hat es „ewig lange“ gedauert, bis deutsche Politiker sich ernsthaft um die Gefangene bemüht haben. Schmidt-Wulff: „Bis Karin freikommt, dauert es vielleicht noch einmal solange.“

Michael Weisfeld