Neuer Bahnhof unterm Sperrgebiet

■ Senat und BVG geben dem S-Bahnhof Potsdamer Platz wieder eine Zukunft / Möglicher Umsteigebahnhof unter der Mauerzone gehört zu neuen Schnellbahnplänen / Wiedereröffnung ab 1996 denkbar / Schon die Kubat-Besetzer dachten an die Tunnel unter dem Platz

Der S-Bahnhof Potsdamer Platz, seit dem Mauerbau 1961 geschlossen, hat wieder eine Zukunft, zumindest in Überlegungen von Senatsverkehrsverwaltung und BVG. Sie denken darüber nach, diesen toten Umsteigepunkt am seinerzeit verkehrsreichsten Platz Europas aus seinem Dämmerdasein zu holen. „Wir verfügen zur Zeit nicht über diesen Bahnhof“, so die BVG, „aber man muß auch mal über den Suppenteller gucken.“ Verhandlungen mit der DDR sowie „viel Geld und Engagement“ (ein Stadtplaner) könnten den Bahnhof öffnen.

Der unterirdische Bahnhof liegt zwar auf - oder besser: unter - Ostberliner Territorium, zwei Ausgänge führen jedoch auf die westliche Seite der Mauer. Betondeckel verschließen die Zugänge in die Tunnelwelt, durch die heute schon die S -Bahn zwischen Lichtenrade und Frohnau (S2) rumpelt - leider ohne Halt am Potsdamer Platz. Die DDR kann den toten Bahnhof ohnehin nicht nutzen, da er sich unter dem Niemandsland zwischen den Sperranlagen ausbreitet. Ab 1996, heißt es in der Verkehrsverwaltung, könnte der Senat Geld für den Bahnhof locker machen.

Mit seinen vier Bahnsteigkanten könnte der Haltepunkt Umsteigeplatz zwischen der S2 und der Wannseebahn, der S1 werden. Dieses Konzept betrachtet ein Planer aus der Behörde von SPD-Verkehrssenator Wagner als billigere Alternative zu Planungen des alten CDU-Senators Wronski. Der wollte S1 und S2 durch eine Verschwenkung der Lichtenrader Linie am neuen Bahnhof Kolonnenstraße zusammenführen. Das vom neuen Senat gekippte Projekt einer Nord-Süd-Schnellstraße hätte die Verschwenkung erzwungen; auf sie kann die Stadtregierung nun verzichten.

Für die Verkehrsplaner ist der tote Bahnhof wieder ins Bewußtsein gerückt, weil sich dort über der Erde vielleicht bald einiges tut. „Da kann ganz schön Leben hin“, hat ein Verkehrsplaner bemerkt. Neben dem Filmhaus im ehemaligen Grandhotel Esplanade hatte schon FDP -Stadtentwicklungssenator Starnick an weitere Projekte gedacht. Auf dem von Ost-Berlin für 70 Millionen Mark gekauften Lenne-Dreieck wollte Starnick Grundstücke für ein Ost-West-Handelszentrum, Hotels oder Unternehmenssitze reservieren. Den größten Teil der Flächen - schweres Hindernis für eine attraktive Planung - wollte der alte Senat jedoch mit der sechsspurigen Nord-Süd-Straße verbauen. Die neue Stadtautobahn hätte nicht nur die Reaktivierung des unterirdischen S-Bahnhofs erschwert; sie hätte auch den Bahnen im Nord-Süd-Verkehr geschadet. 50.000 Fahrgäste, hat die BVG errechnet, wären auf das Auto abgewandert.

Starnicks Nachfolgerin Schreyer hat sich noch keine Gedanken gemacht, was aus diesen heute randständigen Flächen des ehemaligen Stadtzentrums werden soll. Daß sich die Verkehrsverwaltung nun des S-Bahnhofes unter dem Platz erinnert, findet Klaus Ermer von der Umweltbehörde auf jeden Fall „schön“. Nach den Koalitionsvereinbarungen, so Ermer, soll sich die Bundesgartenschau 1995 um das Lenne-Dreieck, sowie die Brachflächen des ehemaligen Potsdamer und Anhalter Personenbahnhofs kümmern. Das heiße nicht, daß die Flächen komplett begrünt würden, versichert AL-Mitglied Ermer. In der ersten Julihälfte will die Senatsbauverwaltung mit der Munitionssuche auf dem Lenne-Dreieck fertig werden. Eine „provisorische Begrünung“ werde es dann zunächst geben, meint Ermer. Wieder ausbreiten dürfen sich dann die Pflanzen, die Senatsnaturschützer vor Beginn der Munitionssuche im Dreieck sichergestellt hatten.

Laut Regierungsvereinbarung soll ein „öffentliches Verfahren“ Aufschluß darüber geben, was die Bürger an Wünschen und Ideen für den sogenannten Zentralen Bereich in petto haben. Vielleicht melden sich dann auch die Besetzer des „Kubat-Dreiecks“ wieder zu Wort, die sich im letzten Juni einen Monat lang intensiv mit dem Areal beschäftigen konnten. Kurz vor der Räumung kursierten unter ihnen auch Pläne zum S-Bahn-Tunnel unter dem Platz. Hintergedanke der Besetzer: Mögliche Fluchtwege.

hmt