Exquisites Kino in Eins Plus

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(Rashomon, 21.45 Uhr, Eins Plus) Japans Altmeister Akira Kurosawa in der Glotze: Das ist zwar nicht halb so schön wie auf der großen Leinwand, sein Kino-Klassiker sei aber trotzdem allen Kabelsehern wärmstens anempfohlen. Der Film basiert auf literarischen Vorlagen des japanischen Dichters Ryunosuke Akutagawa (1892-1927), der auch von anderen japanischen Regisseuren, wie Ozu beispielsweise, häufig zitiert wird.

Die Geschichte spielt in der späten Heian-Zeit (794-1191), einer Epoche, die durch Kriegswirren, Epedemien und Naturkatastrophen gekennzeichnet war. Am halbzerstörten Tempeltor Rasho-Mon in Kioto warten ein Holzfäller und ein reisender Mönch den Regen ab und unterhalten sich über einen komplizierten Mordfall, dessen Zeugen sie geworden sind. Drei Tage zuvor hatte der Holzfäller bei seiner Arbeit im Wald die Leiche eines hochgestellten Samurai gefunden. Kurz davor war ihm derselbe noch in Begleitung einer Frau lebend begegnet. Zur Zeugenvernehmung werden Mönch und Holzfäller vor Gericht geladen, wo sich noch andere Prozeßbeteiligte eingefunden haben: der Räuber Tajomaru, Masago, die Frau des Ermordeten, sowie eine Seherin, die die Seele des Toten befragen soll. Jeder hat seine eigene Version des Tathergangs, die in Rückblenden filmisch nacherzählt werden. Und verblüfft stellt man dann fest, daß jede Geschichte ihre innere, zwingende Logik hat. Die verschwundenen Tatwaffen scheinen der Schlüssel zur Aufklärung des Verbrechens zu sein...

Kurosawa spielt in diesem geschickt konstruierten psychologischen Drama mit der Relativität der Wahrheit. Dazu atemberaubende Bilder im harten Schwarzweißkontrast. Der 1950 entstandene Film wurde im gleichen Jahr zur Sensation des Filmfestivals in Venedig. Erstmals (seit dem Krieg) stellte sich ein japanischer Film der internationalen Öffentlichkeit, und prompt erhielt er den Goldenen Löwen als höchste Auszeichnung. Damit war das Interesse an japanischer Filmkunst geweckt. Für Kurosawa war Rashomon der Durchbruch zu einer überaus erfolgreichen Schaffensperiode, in der sich die Vorliebe für westliche Literaturklassiker in seiner filmischen Bearbeitung der Werke Dostojewskis, Gorkis und Shakespeares ausdrückt. Zu den bekanntesten Filmen gehört Shchinin no Samurai (Die sieben Samurai, 1954), Kagemusha (1980) und Ran (1985).

Die Eins-Plus-Redaktion wollte dem internationalen Erfolg und Kurosawas Können wohl dennoch nicht allein vertrauen und verpaßte seinem Meisterwerk den hübschen deutschen Untertitel Das Lustwäldchen. Erfindern und Freunden solch plumper Interpretationsversuche sei hiermit schnell die Lösung des Geheimnisses verraten: Im finstren Wald geschah ein Lustmord!

tho