Massen-Geschmack-Los

■ Lasche melodisch-rhythmische Menüs für den linken politischen Allerwelts-Geschmack

Nach dem Konzert: zwei Kritiker sitzen in der Kneipe und streiten sich. A: „Mann kann eine solche Gruppe nur innerhalb ihres eigenen Genres kritisieren, also ob sie das, was sie machen, gut oder schlecht machen!“ B. kontert: „Das sehe ich ganz anders: das war doch ganz einfach schreckliche und stinklangweilige Mucke!“ B. insistiert auf seinem subjektiven Geschmacksurteil, das er dem Leser schon ehrlichkeitshalber präsentieren wollte. A hält das für überflüssig, wenn nicht gar arrogant.

Die beiden mögen sich, aber die Positionen bleiben unvereinbar. Auch in der Einschätzung des Publikums kommt man nicht auf einen gemeinsamen Nenner: fast tausend haben das „Modernes“ gefüllt. Waren das nun mehrheitlich Menschen, die ihr soziales Gewissen beruhigen, indem sie einer Band mit deziert politischen Texten zuhören, die einfältige bis einlullende musikalische Verpackung dabei geflissentlich überhö

ren? Oder ist die Bereitschaft, mehr als DM 20.-für ein solches Konzert auszugeben, nicht auch ein Indiz für die allgemeine Bewußtseinslage der Anwesenden? Anders gefragt: enthüllt sich hier nur musikalische oder eine ganz allgemeine Naivität? Ist das villeicht sogar das potentielle Schlagerpublikum des Jahres 2000? Kann man/frau überhaupt die musikalische von der textlichen Rezeption trennen? Oder entspricht das Rezept des „Man nehme eine Prise Nicaragua, ein wenig Chile und ein bißchen Rassismus...“ gar der Laschheit des melodisch-rhythmischen Menüs? Für die dummm muß man sein Publikum eigentlich halten, wenn man glaubt, ihm die politische richtige Botschaft nur mittels Weichspüler unterjubeln zu können?

Pardon: die Gruppe hieß Latin Quarter, das Ereignis fand am Dienstagabend statt und zwar so ziemlich das Langweiligste, was ich mir seit Jahren angetan habe.

JüS