In der Kneipe hitziger

■ Über kulturpolitische Aktivitäten der Grünen und die Schwierigkeiten des Hungerleiderkulturklientels, das „Kulturklima“ durch Zusammensitzen zu verbessern

„Wir kriegen da eigentlich nichts von mit“, so oder fast so hatten die VertreterInnen der Kulturprojekte geantwortet, die der taz-Redakteur K.W. gefragt hatte, was denn grüne Kulturpolitik sei (vgl. taz vom 25.4.). Da sind wir hier natürlich besser dran, wo die reitenden Boten seit zweieinhalb Jahren täglich das Neuste und Heißeste aus der Kultur von Bremen und umzu zusammentragen.

Im Februar 87, erinnert sich unser Tageszeitungslangzeitgedächtnis, hat die Grüne Bürgerschaftsfraktion den informierten Protest gegen die Verwohnschachtelung der Teerhofinsel per Hearing erfolgreich gebündelt. Wenig später hat der Abgeordente Fücks ein „Kulturkonzil“, ein ständiges Treffen aller erreichbaren freien und/oder Hungerleiderprojekte zusammengetrommelt. Fücks wollte damit eine „kulturpolitische Utopie“ entwickeln, Rainer Iwersen, Schauspieler-Übersetzer -Regisseur der Shakespeare Company, bescheidener einen Haushaltsplan aller unbefriedigten Kulturinteressen aufstellen. Was beides unterblieb.

Herausgekommen ist aber - das Konzil hieß inzwischen „Kulturklima“ - ein Offener Brief im Dezember 88 gegen die ungepufferte Verdrängung der Projekte in der Weserburg durch das Museum für Gegenwartskunst. „Kulturklima: Tendenz gewittrig“ titelte damals diese Seite und gab dem Eindruck Ausdruck, das Bremer Kulturklima habe sich dahingehend geändert, daß die kulturklimatisch geeinten Initiativen das senatoriale Spiel, den einen zuzustecken, was den andern abgezwackt werde, nicht mehr mitspielten.

Ralf Fücks hat dann vor der Wahl versprochen, eine Koordinationsstelle für „Kulturklima“ von Grünens zu bezahlen, eine Idee, die nach der Wahl wieder wie das Karnickel im Ärmel verschwand. Auch aus der Nachfolgeidee, einem grünen Finanztopf für Kulturprojekte, wurde nichts. Und das schöne „Kulturklima“, es entschlief im Jahre 88. Ein kleiner Kreis traf sich weiter, um über Konzeptionelles nachzudenken. Das war's.

Ist das nun alles ein Zeichen von grüner Lahmarschigkeit und

dem gewohnten Parteiendesin teresse für Kultur? Wollte ich wissen und frage Rainer Iwersen, warum das Kulturklima gestorben ist. In der Erwartung, ein Faß grünenttäuschten Unmuts zu öffnen. Aber da ist kein Faß.

„Im Grunde,“ sagt er, „kann ich das auch nicht erklären.“ Und wundert sich: „In den Kneipen sind die Debatten immer erheblich hitziger.“ Die Gründe, die er nennt, liegen eher beim Klientel als bei den Grünen. Es scheine schon so zu sein, daß Interesse immer solange da sei, wie einer Initiative konkret etwas widerfahre, die ABM-Kraft nicht verlängert oder - wie dem Schnürschuh-Theater - der Probenraum in der Weserburg bedroht werde. Das allein sei dann aber kein abendfüllendes Programm. Das Abbröckeln nach Protestanlässen sei zwar kurzsichtig, aber an dem.

Den andern entscheidenden Grund dafür, daß ein dauerhaftes Treffen der Alterativkulturklientel sich von innen und allein aufgelöst hat, sieht Iwersen darin, daß die eigene, künstlerische Arbeit einfach vorgehe. Er selber sei

beim „Kulturklima“ erschienen, solange er mit Übersetzungsar

beiten am Schreibtisch saß. Wenn Proben sind, gehen die vor.

Uta Stolle