Fiebrige Nächte

■ Gemein: Regierung Rau will den „Reaktor der Zukunft“ stillegen

Die frohe Botschaft kam ausgerechnet am Tschernobyl -Jahrestag: Das Kabinett Rau hat einstimmig gegen eine Wiederinbetriebnahme des Hochtemperaturreaktors von Hamm -Uentrop votiert und die „sofortige Stillegung“ des Atommeilers verlangt. Hört sich gut an: Die NRW -Landesregierung hat sich damit hochoffiziell von einer Reaktorlinie verabschiedet, die sie selbst in synchronen Jubelgesängen mit der Atomgemeinde jahrelang bei chronischem Realitätsverlust als „Reaktorlinie der Zukunft“ gefeiert hat. Übriggeblieben von dieser Zukunft ist ein viereinhalb Milliarden Mark teurer monströser Schrotthaufen, der allen Beteiligten nur noch eines beschert: fiebrige Nächte.

Mit dem Votum der Düsseldorfer Regierung ist allerdings noch nichts entschieden. Spätestens, seitdem Veba-Chef von Bennigsen-Foerder die Wiederaufarbeitung in Wackersdorf von einem Tag auf den anderen hops gehen ließ, weiß man, daß die Energiepolitik in der Bundesrepublik nicht von Parlamenten und Regierungen, sondern von Stromkonzernen und Energie -Baronen gemacht wird. Die Kabinettsentscheidung in Düsseldorf bestätigt dies. Das krachende Stillegungsvotum der Landesregierung reduziert sich nämlich bei näherem Hinsehen als bloße Absichtserklärung ohne bindende Wirkung. Die Stillegung, so fügte die Rau-Mannschaft mit treuem Dackelblick hinzu, sei aber nur im Konsens mit Betreibern und Bundesforschungsminister Riesenhuber herzustellen. Mit anderen Worten: Die Landesregierung würde schon wollen, nur die anderen wollen nicht. Bemerkenswert an diesem Votum ist die Selbstverständlichkeit, mit der eine Landesregierung ihre eigene Ohnmacht bloßstellt und sich damit auch noch zu profilieren versucht.

Die Entscheidung, ob der Hochtemperatur-Reaktor endgültig stillgelegt wird, muß jetzt die Atomindustrie fällen. Auch hier sind die Aussichten allerdings gar nicht so schlecht. Die Vorstellung, daß der marode Meiler im „geordneten Auslaufbetrieb“ noch zwei Jahre Strom produzieren soll, läßt selbst den Betreibern kalte Schauer über den Rücken laufen. Auch bei ihnen wächst die Gewißheit, daß weitere Defekte und Reparaturen teurer werden könnten als ein Ausknipsen der Reaktor-Ruine.

Manfred Kriener