CDU-Wahlfälscher droht mit Übertritt zu „Republikanern“

Der niedersächsische CDU-Abgeordnete Kurt Vajen bereitet Übertritt zu „Republikanern“ vor / Ohne ihn hat Albrecht keine Mehrheit mehr  ■  Aus Bothel Jürgen Voges

„Ich bleibe hier, ich sitze immer rechts von der Mitte“, erwidert der untersetzte CDU-Landtagsabgeordnete und Landwirt Kurt Vajen, als er schon vor Beginn der „öffentlichen Aussprache“ im Gasthaus Hellwinkel hinter das Mikrophon rücken soll. Der kleine Strauß roter Nelken auf dem Podium neben Kurt Vajen muß nach hinten auf die Bühne des größten Tanzsaals der Gemeinde Bothel geschafft werden. Für die Veranstaltung, zu der der CDU-Ortsverein mit schwarz -rot-golden umrahmten Handzetteln eingeladen hat, hat der Wirt Tische und Stühle für 260 Personen in den Saal geschafft, und kurz nach 20 Uhr am Montag abend ist der Kneipensaal gut gefüllt: meist Männer mittleren Alters und älter, wie man es in einer niedersächsischen Samtgemeinde in der Westheide erwartet. Knapp 20 Leute kommen sonst hier zu Parteiveranstaltungen, doch heute hat die Frage, ob der rechtskräftig wegen Wahlfälschung verurteilte Lokalmatador Vajen zu den Republikaner übertritt, die „Mitglieder und Freunde der CDU“ auf die Beine gebracht.

„Zu seinen künftigen politischen Schritten“ will der Landtagsabgeordnete sich äußern, doch es dauert bis der stämmige „Knobel-Kurt“, wie er wegen seiner Vorliebe für das Würfeln genannt wird, zur Sache kommt. Er zählt alle Mandate auf, in die er hier im Kreis Rotenburg/Wümme seit 1964 gewählt worden ist: Gemeinderat, Samtgemeinderat, Kreistag, Bürgermeister von Brockel, Samtgemeindebürgermeister von Bothel, auch mal Landrat und dann seit 1978 Landtagsabgeordneter in Hannover. Er sei immer eine Art Ombudsmann der Bürger des Landkreises gewesen, lobt er sich selbst. Er sei immer leicht mit dem politischen Gegner fertig geworden und habe alle Wahlen gewonnen. Doch hätten sich „Umfaller aus der CDU und Leute, die selbst etwas werden wollen,“ der Kampagne gegen ihn angeschlossen. Nach seiner Verurteilung wegen Wahlfälschung, Trunkenheit am Steuer und Widerstand zu 18.000 Mark Geldstrafe haben die innerparteilichen Konkurrenten - so bastelt Vajen seine Dolchstoßlegende - „einen Schwachpunkt ausgenutzt“ und zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Landrat zum CDU-Kandidaten für die nächste Landtagswahl nominiert.

Doch Knobel-Kurt will wieder in den Landtag, will es nicht hinnehmen, daß sein „politisches Lebenswerk zerstört wird“, will nicht „unehrenhaft entlassen werden“. „Es hat ein ganz großes Kontaktgespräch mit den Republikanern vor Wochen stattgefunden“, kommt er zum Thema. „Ob ich über diese Partei wieder dabei bin oder ob es eine andere Möglichkeit gibt, diese Antwort kann ich heute noch nicht geben.“ Das CDU-Publikum klatscht Beifall.

Die CDU-Anhänger aus Bothel reagieren keineswegs empört auf die Übertrittsabsichten ihres Lokalmatadors. Kurt Vajen kann einen Übertritt zu den „Republikanern“ „mit seinem Gewissen vereinbaren“, weil „die Zugehörigkeit zu einer Partei kein Glaubensbekenntnis für das ganze Leben ist“, und er versichert, das Ganze mit seinen Kameraden zu besprechen, „wenn Überlegungen dieser Art weiter reifen sollten“. Die „Republikaner“ seien keineswegs rechtsradikal, sondern rechtskonservativ, sagt Vajen.

Nur dem Versammlungsleiter, dem CDU-Ortsvorsitzenden von Bothel, Dieter Große, ist das alles ein wenig peinlich. „Daß das hier nun heute so ausgeht, hatten wir überhaupt nicht erwartet“, sagt Große kleinlaut und hofft, daß Kurt Vajen in Wirklichkeit mit seinem Übertrittsdrohungen der CDU nur einen sicheren Listenplatz abpressen will: „Kurt soll nur weiterwedeln mit dem Republikaner-Argument, dann kriegt er das Mandat in Hannover geschenkt“, beschließt er die Versammlung.

Die Fraktion in Hannover will den Wahlfälscher Vajen allerdings keineswegs noch einmal für weitere vier Jahre über die CDU-Landesliste in den Landtag hieven. „Einen Wunsch von Kurt Vajen nach Absicherung auf der Landesliste können wir nicht erfüllen“, bekräftigte gestern noch einmal ein CDU-Fraktionssprecher. Der CDU-Fraktionschef Gansäuer hat vorgestern eine Zusammenarbeit der CDU mit den „Republikanern“ „völlig ausgeschlossen“. Vajen allerdings hat für den Fall seines Übertritts sein Modell einer schwarz -braunen Zusammenarbeit parat: Durch seinen Übertritt müsse die Regierung Albrecht trotz ihrer Einstimmenmehrheit ja nicht kippen, sagte er in Bothel. Es gäbe schließlich in vielen Parlamenten Minderheitsregierungen, die sich von kleinen Fraktionen tolerieren ließen.

Ob der Wahlfälscher Kurt Vajen nun nur pokert oder tatsächlich zu den Rechtsradikalen übertritt, die „Republikaner“ können nur profitieren. Auf der CDU -Versammlung in Bothel drückte sich in den hinteren Reihen auch der Kreisbeauftragte der REPs, Dieter Biernath, herum und verteilte heimlich Flugblätter seiner Partei. Der Kontakt zu Kurt Vajen, so sagte Biernath, habe sich einfach so ergeben. „Da mußte keiner an den anderen herantreten“, fügt er hinzu, „Schließlich habe ich als Junge auf dem Hof von Kurt Vajen schon Kastanien gesammelt.“