SPD-Länder sollen die Zusammenlegung anordnen

Der Bundestagsabgeordnete Peter Conradi (SPD) zur Situation im Hungerstreik und zur Debatte um die Demonstration in Bonn / SPD-Länder sollen ihre Vorbedingung fallenlassen / Die Demonstration erschwert die Lösungsmöglichkeiten  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Conradi, Sie haben Mitte März als erster SPD -Abgeordneter die Zusammenlegung der RAF-Gefangenen in „größere Gruppen“ befürwortet. Welche Reaktionen hat es innerhalb und außerhalb Ihrer Partei gegeben?

Peter Conradi: Es gibt eine zunehmende Nachdenklichkeit zum Thema gefangene Terroristen. Bei Diskussionen habe ich den Eindruck, daß mehr und mehr Menschen bereit sind anzuerkennen, daß auch diese Gefangenen einen Anspruch auf Resozialisierung haben. In der SPD hat sich in den vergangenen Wochen etwas bewegt. Das freut mich.

Sie haben erklärt, daß Sie das Angebot der SPD-Länder, die Gefangenen in Gruppen von vier bis sechs zusammenzulegen, „in der Tendenz“ für richtig halten. Es geht Ihnen aber „nicht weit genug“. Wie könnte ein weitergehendes Angebot aussehen?

Die Sicherheitsargumente, die für die besonderen Haftbedingungen angeführt werden, sollten nochmal gründlich überprüft und öffentlich dargelegt werden. Einzelne haftverschärfende Maßnahmen könnten zurückgenommen werden. Ich meine zum Beispiel, daß die RAF-Strafgefangenen ohne Aufsicht mit ihren Eltern reden können sollten, daß die ständigen Durchsuchungen reduziert werden, daß ihnen zugesichert wird, daß sie im Normalvollzug nicht von V -Leuten bespitzelt werden. Zum anderen sollten wir bei der Gruppengröße nicht dogmatisch sein, ob das nun fünf sind oder sieben. Allerdings kann man den Aufsichtsbeamten in den Gefängnissen nicht zumuten, daß da Großgruppen entstehen, die dann kaum mehr zu bewachen sind.

Die Unterbrechung des Hungerstreiks durch Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo ist bisher in keiner Weise honoriert worden. Die SPD sagt, unser „Angebot“ ist das letzte Wort, bei der CDU sind die Schotten nach wie vor dicht. Was kann man überhaupt noch tun?

Es laufen Bemühungen, Baden-Württemberg und Bayern zum Einlenken zu bewegen. Dann wäre ein erster Schritt möglich. Ich habe den Eindruck, daß die RAF-Strafgefangenen eher zu Gesprächen bereit sind als früher. Ihre Bedingung allerdings, die Regelung, die die SPD-regierten Länder vorschlagen, müßte von allen Ländern mitgetragen werden, können die SPD-Ministerpräsidenten nicht erfüllen. Sie können Bayern und Baden-Württemberg nicht zwingen, dem zu folgen.

Es gibt ja noch die zweite Möglichkeit, daß die SPD-Länder die unionsregierten Länder auffordern, ihre Gefangenen an die SPD-Länder abgeben.

Eine dritte Möglichkeit wäre, daß die SPD-Länder bei sich die Zusammenlegung jetzt anordnen. Punkt, aus.

Bisher bestehen die SPD-Länder als Voraussetzung dafür auf dem endgültigen Abbruch des Hungerstreiks.

Das ist ein Verfahren, das ich so nicht schätze. Es wird so getan, als ginge es hier um Tarifverhandlungen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die SPD-regierten Länder jetzt in ihrem Verantwortungsbereich die Zusammenlegung ohne weitere Vorbedingungen durchführen.

Dieser Hungerstreik unterscheidet sich von den vorangegangenen dadurch, daß das Spektrum der UnterstützerInnen erheblich größer ist als früher. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzungen um die Demonstration in Bonn?

Ich finde schlimm, daß einige versuchen, diese Auseinandersetzung politisch zu instrumentalisieren, auch innerhalb der Grünen. Es geht um Menschenleben. Da kann es nicht gut sein, daß in der Auseinandersetzung zwischen Bundeshauptausschuß und Bundestagsfraktion das Leben der Strafgefangenen und möglicher weiterer Opfer von Terroranschlägen für innerparteilichen Streit verwendet wird. Zum andern wird deutlich, daß einige ihre grundsätzliche Gegnerschaft zu diesem Staat in diese Auseinandersetzung einbringen und es damit vielen unmöglich machen, sich zu solidarisieren. Es ist gut, daß die Jungsozialisten ihre Teilnahme zurückgezogen haben.

Ist die Auseinandersetzung nicht ein vorhersehbares Resultat der Tatsache, daß die einen sich ausschließlich humanitär engagieren wollen, die anderen aber vorrangig politisch?

Wer hier eine harte Linie vertritt - und da sehe ich Gemeinsamkeiten zwischen dem Generalbundesanwalt und einigen Unterstützergruppen -, muß wissen, daß er das Leben der Gefangenen und das Leben anderer Menschen riskiert. Ich halte Durchhalteparolen für menschenverachtend. Es geht um die humanitären Fragen. Wer da andere politische Zwecke mit verbindet, soll das klar sagen.

Kann die Demonstration nach Ihrer Auffasung noch positiv zur Lösung des Konflikts beitragen?

Nein, im Gegenteil. So, wie die Demonstration angelegt ist, wird sie die Lösungsmöglichkeiten eher erschweren.

Interview: Gerd Rosenkranz