THTR: Rau will nicht mehr

NRW-Regierung verlangt sofortige Stillegung des Reaktors in Hamm-Uentrop / Nach der Willenserklärung ein „Deal“ mit der Stromwirtschaft?  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung will die „sofortige Stillegung“ des umstrittenen Thorium -Hochtemperaturreaktors (THTR) 300 in Hamm-Uentrop. Mit einem entsprechenden Beschluß des Kabinett stellte sich die Rau-Regierung gestern gegen Betreiber und Bundesforschungsministerium. Nach einer Sitzung des Landeskabinetts, das sich einstimmig gegen den von Bonn und den Betreibern favorisierten zwei- bis dreijährigen „Auslaufbetrieb“ bei dem Reaktor ausgesprach, erklärte der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei Clement (SPD), der THTR habe „seinen forschungspolitischen Sinn und Zweck erfüllt“. Angesichts der häufigen technischen Defekte an dem Hochtemperatur-Reaktor, der seit Oktober 1988 wegen abgerissener Bolzen in den Heißgaskanälen erneut stillgelegt ist, wäre ein Weiterbetrieb mit „neuen unkalkulierbaren ökonomischen Risiken“ verbunden.

Der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei machte aber deutlich, daß eine unmittelbare Stillegung des THTR, an deren Ende der „sichere Einschluß“ und anschließend „so schnell wie möglich der Abbruch“ dieser Atom-Anlage stehen müsse, nur in Übereinstimmung mit den Betreibern und dem Bonner Forschungsministerium durchzusetzen sei. Clement: „Wir können diesen Weg nicht erzwingen, es geht nur im Konsens“.

Der gestrige Beschluß der Regierung ist im derzeitigen Stadium nicht mehr als eine politische Willensbekundung. Unabhängig davon muß der Düsseldorfer Wirtschaftsminister Jochimsen (SPD) in den kommenden Wochen als Genehmigungsbehörde über die Aufhebung des vorläufigen Stillegungsbescheides für den THTR entscheiden. Jochimsen hat in den vergangenen Tagen wiederholt signalisiert, daß er dem Antrag der Betreiber auf Wiederinbetriebnahme stattgeben müsse, weil er bei den monatelangen Überprüfungen der Sicherheitsstandards „den K.O.-Punkt nicht gefunden“ habe. Fortsetzung auf Seite 2

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Politische Beobachter in Düsseldorf wollten nicht ausschließen, daß es zwischen den Betreibern und der Landesregierung unter bestimmten Voraussetzungen doch noch zu ei

ner Übereinkunft über die sofortige Stillegung des THTR kommt. In diesem Zusammenhang ist von einem „Deal“ zwischen der Regierung Rau und der Stromwirtschaft die Rede, die etwa im politischen Entgegenkommen bei der Genehmigung anderer Großprojekte im Energiesektor liegen könnte. Darüber hinaus wird über eine finanzielle Beteiligung der Landesregierung an den Abrißkosten spekuliert. Als Beispiele für ein Entgegenkommen der Düsseldorfer Landesregierung gegenüber der Stromwirtschaft wird konkret eine Minimierung des aufwendigen Nachrüstungsprogramms für den veralteten Siedewasserreaktor in Würgassen sowie die Genehmigung des umstrittenen Großtagebaus Garzweiler II im rheinischen Braunkohlerevier genannt.

Der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei äußerte Zweifel, ob die geschätzten Kosten in Höhe von 300

bis 500 Millionen Mark tatsächlich ausreichten, um einen „sicherheitstechnisch verantwortbaren Abbruch“ des Reaktors durchzuführen. Er ließ offen, inwieweit sich die Landesregierung an diesen Kosten beteiligen wird: „Wir suchen hier nach einem konsensualen Weg.“