: Was Huchtinger Skins meinen
■ Am 20. April hatte im Bremer Stadtteil Huchting die Angst geherrscht, Skinheads würden ein Pogrom veranstalten / Die taz war bei drei Skins zu Besuch
Genau acht Tage ist es her, als unter TürkInnen im Stadtteil Huchting die Angst vor einem Pogrom umging. Türkische Läden blieben geschlossen, Schulkinder zu Hause. Gerüchte wollten damals wissen, daß anläßlich des 100. Hitler-Geburtstags bis zu 2.000 Skinheads in Huchting einrücken würden, um Schulhöfe und das sogenannte „Ghetto“ zu stürmen: Drei Straßen, bei der „Amsterdamer“ angefangen, in denen überwiegend türkische MieterInnen leben. Doch die Massen -Invasion der Skin-Heads blieb aus. Ganz und gar. (vgl. taz vom 21./22.4.)
Lachen sich die Huchtinger Skins jetzt ins Fäustchen, ob der Angst, die sich unter TürkInnen und Deutschen vor ihnen verbreitete? Was sind das für Leute, diese blutrünstigen Helden der Gerüchteküche?
Der Wohnblock ähnelt denen in der „Amsterdamer Straße“. A., der 17jährige Wortführer der Dreiergruppe, die sich zu einem Interview bereit erklärt, lebt zu
Hause bei Muttern. Und die sorgt auch für den Kaffee. A. ist Schüler, hat einen offenen Blick. Seine Glatze ist zu einem Mecki ausgewachsen. Die Füße stecken in den obligatorischen Schnürstiefeln. Er ist „stolz, ein Deutscher zu sein“.
Auch A. ist an jenem 20. April nicht zur Schule gegangen. Seine Mutter habe ihn erst gar nicht geweckt. Sie hatte bei der Polizei diesen Rat bekommen. A.: „Ich hätte tausend Konfrontationen in der Schule gehabt. Hätte mich als einziger auf Diskussionen einlassen müssen und trotzdem hätte es wieder geheißen, daß ich ein Nazi-Schwein bin“. Nachmittags war A. auf dem Geburtstag seiner Tante. Bei seiner Rückkehr nach Huchting ließ er den Taxifahrer eine Runde drehen und stellte fest, daß „nichts los“ war. Auf dem Heimweg sei er dann aber von „Türken“ mit einer Gaspistole bedroht worden und habe Anzeige erstattet.
Und seine Kumpels? „Die Po
lizei hat alles abgeriegelt, abgefangen.“ Der zweite im Bunde, C., ein Lehrling, der viel jünger aussieht als die 18 Jahre, die er ist: „Die Polizei hat abends zu uns gesagt, wir sollten nach Hause gehen. 200 Linke kämen.“ Der 20. April war für sie ein Tag wie jeder andere. „Die Türken“ hätten wieder einmal Zoff angefangen, und sie selbst seien von „der Polizei“ wieder einmal eingefangen worden.
Bald sind sie bei ihrem Lieblingsthema: Wie „die Türken“ C. mit einem Edding-Stift auf dem Kopf herumgeschrieben haben, wie „die Türken“ A. in den Wallanlagen verfolgt haben, wie „die Türken“ damals mit dem Billard-Queue auf ihn los sind...
Hatten sie selbst vor dem 20. April denn gar nichts mit den Gerüchten zu tun? A. erläutert: „Das ist für uns relativ neu gewesen. 'Ihr wollt das Ghetto stürmen am 20.‘, hieß es auf einmal. Und dann haben wir uns überlegt, wenn es hochkommt, sind wir in
Huchting höchstens 20, 25 Mann, wenn wir alle mal wieder vereinigt sind. Denn die meisten haben aufgehört. Jedenfalls, wenn wir in das Ghetto gegangen wären, die waren ja darauf vorbereitet, mit Molotowcocktails...“
Er spricht die Sätze über die absehbare Schlappe gegen „die Türken“ nicht zu Ende. B., sein Kumpel mit der Glatze und dem kalt-ängstlichen Augenausdruck, riskiert eine Lippe: „Abr wenn wir 2.000 gewesen wären, dann hätten wir die 'Amsterdamer‘ alle platt gemacht.“ Seine Kumpel pflichten ihm bei. Dann beruhigt A. die taz-Reporterin: „Sie werden aber nie erleben, daß wir mal 2.000 Skins sind. 1980 waren wir 80 Glatzen in Bremen. Da waren wir die Macht.“
Immer wieder kommen sie auch auf das „Ghetto“ zu sprechen. A: „Durch die drei Straßen könnte ich nicht durchgehen. Das ist schon fast 'ne Festung.“ Der „kleine“ C. ergänzt: „Auch das 'Roland-Center‘ ist fest in türkischer Hand. - Das ist schon traurig. Dabei ist das unser Land, das ist Deutschland.“ Wieder ist es der kurzgeschorene B., der sich als erster vorwagt: „Ich hab was gegen Türken und Pakistani.“ Er schüttelt sich und macht Geräusche, als müsse er sich beim Aussprechen dieser Worte übergeben: „Am meisten aber gegen Türken. Da muß man was gegen unternehmen. Wir wären froh, wenn die hier alle raus wären.“
Er fängt an, davon zu erzählen, wie er mit anderen „einen Türken gejagt“ hat. Er grinst, stockt und schweigt sich aus. A. erzählt davon, daß er Auschwitz besichtigt hat: „Ich hab die Gaskammern gesehen, den Galgen, das Zyklon B. Ich war schon immer mal heiß und wild drauf, ein KZ zu sehen. Ich bin da mit Begeisterung durchgegangen.“ Worüber? Das will er nicht sagen. B. antwortet für ihn, vorsichtig: „Einige denken: 'Schade, daß es sowas nicht mehr gibt‘.“
B.D.
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