Zwischen Singapur und Hemelingen

■ Akquisitionsbemühungen der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft in Fernost zeigen erste Erfolge: Am Hillmannplatz soll für 50 Mio ein „Asia Pacific Trade Center“ entstehen / WfG-Chef macht Druck für weitere Gewerbegebiete

Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, gibt es in Bremen eine feste Arbeitsteilung. Fürs Allgemeine, die Reden im Parlament, bei Firmenerweiterungen und vor Verbänden ist der Wirtschaftsenator zuständig. Für die konkrete Arbeit, die Anwerbung neuer Betriebe, die Vorbereitung entsprechender Subventionen gibt es die Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft, eine GmbH im Beisitz des Landes, die ohne lästige Mitsprache politischer Gremien und gemäß Satzungsauftrag damit beschäftigt ist, den Strukturwandel in der bremischen Wirtschaft zu beschleunigen.

Das Wesen der Wirtschaftsförderung ist seiner Natur her ein Geheimes. Wo ein ansiedlungswilliger Betrieb zu welchem Preis ein Grundstück erwirbt, welche Vorleistungen und Zuschüsse der Hansestaat dazu beisteuern, verhandeln die Wirtschaftsförderer vertraulich aus, ehe dann in den politischen Gremien zu den vollendeten Tatsachen die Hand gehoben werden darf. In der Regel nur einmal im Jahr tritt die WfG aus der selbstgesuchten Stille und präsentiert „mehr als zufrieden“ (WFG-Chef Harmut Schmädicke) der Presse die vorzeigbaren Ergebnisse ihrer Arbeit.

Allein zwei Millionen Mark hat die WfG zur Verfügung, um im Ost-Asiatischen Raum kräftig die Werbetrommel für den Standort Bremen zu werben. Erster „bescheidener Erfolg“ (Schmädicke) des Büros in Tokio: Das japanische Unternehmen Nagano Kogyo wird ab Oktober einen Produktionsstandort in Bremen aufbauen. Auf einem 12.500 Quadratmeter großen Grundstück im Gewerbegebiet Reedeich-Nord sollen Produktionslinien für Leiterplatten und Fernsehbildschirme entstehen. Mittelfristig sollen dort 300 MitarbeiterInnen Arbeit finden, davon 2oo „Frauenarbeitsplätze“, wie Schmädicke wußte. Bremer „Trade Center“

Der zweite Erfolg der WfG wird das Gesicht des Hillmnplatzes in der Innenstadt erheblich verändern. Dort, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Plaza-Hotel soll das „Asia Pacific Trade Center“ gebaut werden. Der Duisburger Investor Hans Grothe hat sich gerne und schnell von der WfG überzeugen lassen, daß in das Projekt 50 Millionen Mark gewinnbringend zu investieren sind. Für das Geld soll ein sechsgeschoßiger Baukörper entstehen, in dem südostasiatische Firmen ihre Produkte für den europäischen Markt präsentieren. Auf 5 Etagen werden 10.000-12.000 Quadratmeter Bürofläche entstehen, dazu nocheinmal 2.000 Qudratmeter Ausstellungsfläche und Kongreßräume im Erdgeschoß. Für 5.000 Quadratmeter

haben Firmen aus Fernost bereist schriftlich Bedarf angemeldet, darunter die drei größten Unternehmen Singapurs. Der Bauantrag ist zwar noch nicht eingereicht, trotzdem haben WfG und Grothe einen ehrgeizigen Zeitplan. Im August soll es mit den Bauarbeiten losgehen, ein Jahr später Eröffnung sein. Für die architektonische Gestaltung hat sich Bauherr Grothe etwas Besonderes vorgenommen: “ Es soll etwas international Vorzeigbares werden“, sagt er und freut sich über die „Supervorarbeit“ der WfG und die freut sich wiederum über das „schwindelerregende Interesse“ südostasiatischer Betriebe, via Bremen den Einstieg in den europäischen Markt zu suchen. 10 neue Unternehmen

Weiterer Arbeitsschwerpunkt der WfG ist die Begleitung und Initiierung neuer Projekte. Im vergangenen Jahr wurde die zweite Baustufe des BITZ eröffnet. 35 kleine Unternehmen, die meisten mit einer Handvoll MitarbeiterInnen sitzen dort an High-Tech-Entwicklungen und suchen ihre Marktchance. 15 weitere Interessenten stehen vor der Tür. Grund für Schmädicke eine dritte Baustufe zu fordern und für Unternehmen, die aus den Kinderschuhen herausgewachsen sind, aber nicht genug Kapital haben, um aufwendige Betriebsstätten bauen zu können, eine Übergangslösung in der Nähe des BITZ vorzuschlagen.

10 neue Unternehmen mit 560 MitarbeiterInnen hat die WfG im vergangenen Jahr nach Bremen gelockt. Dazu kommt die logistische Unterstützung bei einer Reihe von Betriebsumsiedlungen und - erweiterungen. Dabei wurden 37,8 Hektar Industriegrundstücke vergeben. 35 Hektar pro Jahr, so die Prognose der WfG, müßten jährlich neu erschlossen werden, um der Nachfrage Rechnung zu tragen. Flächenrecycling, die Nutzung von Industriebrachen, ist für Schmädicke zwar wünschenswert, aber mit großen Problemen verbunden. Geeignete Flächen bei Klöckner oder Mobil Oil müßten mit viel Geld saniert werden, erstere wegen der Bomben, die dort vernmutet werden. Und bei Mobil Oil ist noch gar nicht abschätzbar, was die Beseitigung der dort vermuteten Altlasten kosten würde.

Heimliches Objekt der WfG-Begierde daher: Weitere Flächen im gefragten Bremer Osten, die Osterholzer Feldmark. Schmädic: „Ich bin Realist, aber wünschenswert wäre es.“ Und zu den Befürchtungen von Naturschützern, daß immer mehr ökologisch wertvolle Flächen zum Industriegebiet werden: „Wir haben in Bremen keine ökologische Krise.

Und ich habe Zweifel, daß Ausgleichsflächen unbedingt in Bremen geschaffen werden müssen. Wir haben im Umland Ausgleichsflächen in Hülle und

Fülle.“

Eine stille Arbeit, eione erfolgreiche Arbeit, eine Arbeit, die den Wirtschaftssenator überflüssig macht? Schmädicke beschei

den: „Es besteht kein Anlaß zur Vermutung, daß eine erfolgreiche WfG einen Wirtschaftssenator ersetzen kann.“ Recht hat er: Einer muß schließlich die Reden

halten, bis die WfG im kommenden Jahr wieder veröffentlicht, welche Politik sie im Verborgenen betrieben hat.

Holger Bruns-Kösters