Das gleiche und/oder andere Geschlecht

■ Hundert Bremerinnen berieten einen Tag lang Strategien zu ihrer Emanzipation / Immer wieder Gleichheit fordern oder auf der Andersartigkeit bestehen? / „Raum für ein Weibesschicksal“ /Schon die alte Frauenbewegung schwankte

Was entgegnet frau auf den klassischen Vorhalt: Sie selbst, samt dem Geschlecht, dem sie angehöre, könne nun einmal nicht richtig rational denken? Zwei Strategien der Selbstbehauptung stehen frau zur Auswahl. Entweder wird sie entschieden widersprechen („Nein. Wir können das mindestens genauso gut.“) und dem impertinenten Herrn etwas von „Gleichheit der Geschlechter“ erzählen und von „geschlechtsspezifischer Sozialisation“. Oder aber die Frau wird antworten: „Ja. Wir denken anders, empathischer, komplexer. Und wohin uns Euer mathematisch-rationales Denken geführt hat, sieht man an Harrisburg und Tschernobyl.“

Auf einer ganztägigen Anhörung (hier nur ausschnittsweise wiedergegeben) befaßten sich vergangenen Freitag Bremerinnen mit ihren ureigenen Strategien beim Sich -Emanzipieren. Wollen sie Teilhabe, Quoten, Karriere fordern oder wollen sie auf ihre Andersartigkeit, speziell ihre Mütterlichkeit pochen? Eingeladen hatten Frauen der grünen Bürgerschaftsfraktion, gekommen waren viele langjährige Streiterinnen aus der hiesigen Frauenszenerie. Die meisten schmerzhaft vertraut mit den „hyänenhaften Kämpfen“ um die feministischste Strategie.

Es war die Wiener Referentin Cornelia Klinger, die die Streits anschaulich auf die Konzepte der

„Gleichheit“ und der „Differenz“ zurückführte. Und die historische Parallelen aufzeigte. Schließlich wurden die beiden widerstreitenden Konzepte bereits in der „alten“ Frauenbewegung debattiert. Immer hatte die Forderung nach Gleichstellung die Anfangsjahre der Bewegung geprägt, und erst dann hatten sich Frauenrechtlerinnen auf die „Differenz“, auf ihr „Weibsein“ besonnen. Referentin Cornelia Klinger zitierte die „alte“ Protagonistin Gertrud Bäumer, die 1905 die Strategien so charakterisiert hatte: „Man schuf sich einen abstrakten Begriff vom Menschen, leitete daraus bestimmte sittliche Ansprüche ab und verlangte, daß diese Ansprüche jedem mensch

lichen Wesen gesichert würden... Mit unausweichlicher Logik ergab sich, daß auch die Frau unter diesen Begriff Mensch falle. ...Man sucht all das heraus, was sie mit dem Manne gemeinsam hat, was sie in der sozialen Ordnung dem Manne gleichstellen sollte. Die Frau mißt sich am Manne und verlangt von der Gesellschaft Menschenrechte, das heißt tatsächlich Männerrechte. - Innerhalb der anderen Strömung wird sich die Frau ihres Weibseins bewußt. Sie verlangt von der Gesellschaft, daß sie ihr Raum für ein Weibesschicksal gewähre...“

Der zweite Referentin des Tages, die Münchnerin Greta Tüllmann, hatte sich in einem der härtesten Frauenstreits der letzten

Jahre auf die Seite des „Weibesschicksals“ geschlagen. Sie hatte das grüne „Müttermanifest“ mitunterzeichnet, das Gegnerinnen polemisch als „Karrierefrauen im Aquarium“ titulierte. Greta Tüllmann, die bekannte, ihr Referat erst im Zug ausgearbeitet zu haben, erntete ob ihres assoziativen Vortragstilsheftige Kritik: „peinlich“, „roter Faden fehlt“. Ihre psycho-feministische These illustrierte sie mittels eigener Biographie: Frau neige dazu, sich nur vom Vater zu emanzipieren (und Gleichheit zu fordern). Sie selbst habe erst beim Tod ihrer Mutter festgestellt, daß sie sich auch noch von ihrer Mutter emanzipieren müsse: „Ich mußte mir all diese weiblichen Domänen er

obern. Ein Kind hatte ich mir immer nicht zugetraut. Kochen konnte ich nicht...“ In dieser Lebensphase war sie zu einer Verfechterin der „Differenz“ geworden. In der Debatte verwahrte sie sich dagegen, mißverstanden und in die „mutter -faschistische Ecke gestellt“ zu werden.

Noch bevor dieser Streit entbrannt war, hatte die Wiener Referentin Klinger den Strateginnen im Raum Versöhnliches vorgeschlagen: „Beide Strömungen sind in unseren Köpfen.“ Und beide Strategien bedingten sich: „Wir müssen an der egalitären Position festhalten, so langweilig uns das vorkommt, damit sich das weibliche Lebensprinzip durchsetzt.“

Barbara Debus