Kinderbetreuung statt Krankenhaus

■ Schwerkranke Libanesin kann nicht ins Krankenhaus, weil sie sich um ihre elf Kinder kümmern muß / Bremen will sie nach Rheinland-Pfalz zurückschicken.

„Herzbeutelverengung, Herzklappenverengung, niedriger Blutdruck, Magenschleimhautentzündung, Fehlbildung oder -lage der Nieren und Milzvergrößerung, ungeklärte Uteruserkrankung, Wirbelsäulenbeschwerden, Untergewicht und stark reduzierter Allgemeinzustand“. Das ist die Krankheitsdiagnose von Yildiz N., libanesische Staatsangehörige und seit sechs Monaten in Bremen. Als „lebensgefährlich“ bezeichnet das Flüchtlingsbüro in Bremen Nord diesen Gesundheitszustand. Aber Yildiz N. liegt nicht im Krankenhaus auf der Intensivstation, sondern lebt gemeinsam mit ihren elf Kindern auf einem Zimmer in einem Haus an der Straße Am Dobben. In diesem Haus sind mehr als 40 AsylbewerberInnen untergebracht. (siehe taz vom 21.4.89)

Den notwendigen Krankenhausaufenthalt lehnt Yildiz N. ab, weil sie ihre Kindern nicht allein lassen kann und will. „Sie ist aber auf ärztliche Betreuung dringend angewiesen“, sagt ihre Ärztin Rodelind Hölste-Grabers. Und auch eine Änderungen ihrer Wohnsituation ist für eine gesundheitliche Besserung dringend erforderlich.

Hier aber ist mit einer schnellen Hilfe nicht zu rechnen. Denn: Das Land Bremen will die Libanesin so schnell wie möglich los werden. Begründung: Yildiz N. hatte im Dezember 1988 in Bitburg-Prüm in Rheinland-Pfalz einen Asylantrag gestellt. Vor dessen endgültiger Bearbeitung war sie aber nach Bremen gekom

men, um „ihrer ausweglosen Lebenssituation - isoliert und allein mit 11 Kindern, zu entfliehen“. In Bremen leben Bekannte aus dem Libanon, zu denen sie jetzt engen Kontakt pflegt. Die Bremer Ausländerbehörde hält diesen Umzug für unzulässig und forderte die Asylbewerberin im Januar auf, mit ihren Kindern „unverzüglich“ nach Rheinland-Pfalz zurückzukehren. Dort sollte sie das Ergebnis ihres Asylverfahrens abwarten.

Aufgrund der ärztlich attestierten Reiseunfähigkeit der Libanesin konnte diese Aufforderung

aber nicht durchgesetzt werden. Das Bremer Flüchtlingsbüro hat die Bremer Behörden zu unbürokratischen Handeln aufgefordert. „Die Ausländerbehörde sollte den Aufenthalt der Familie N. längerfristig absichern, das Sozialressort sollte sich um die Beschaffung einer größeren Wohnung bemühen und der Familie eine Haushaltshilfe zur Verfügung stellen“, sagt Gabriele Ladewig, Mitarbeiterin der Flüchtlingsinitiative. Auch nach Auffassung von Dr. Holste -Grabers ist die Libanesin dringend auf den Kontakt mit Landsleuten ange

wiesen. „Sie weint, zittert und wird ohnmächtig, wenn sie von der Behörde Briefe bekommt“, sagt sie.

Ähnlich wie Yildiz N. geht es einer Mitbewohnerin aus dem Haus Am Dobben. Ayal F. ist ebenfalls Libanesin und hat sechs Kinder. Auch sie soll nach dem Willen der Ausländerbehörde dorthin zurückkehren, wo sie ihren Asylantrag gestellt hat, nach Bad Reichenhall. Auch Ayal F. ist auf Grund einer Krankheit reiseunfähig. Deswegen wird ihr Aufenthalt derzeit „hingenommen“. om