Lebenslange Haft für Hamadi gefordert

Staatsanwaltschaft plädierte im Prozeß gegen den libanesischen Flugzeugentführer / Das tatsächliche Alter des Angeklagten ist noch immer umstritten / Hamadi kann auch als Erwachsener verurteilt werden  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Lebenslange Haft forderten gestern die Staatsanwälte Korneck und Thiel im Prozeß gegen den Libanesen Mohamad Ali Hamadi in Frankfurt. Sie fanden ihn schuldig des Mordes, der Flugzeugentführung, der Geiselnahme und des Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz. Hamadi ist angeklagt, am 14.Juni 1985 in Athen zusammen mit einem Komplizen eine Boing 727 der Trans World Airlines (TWA) mit 143 Passagieren und acht Besatzungsmitgliedern entführt zu haben. Während des anschließenden mehrtägigen Irrflugs der Maschine zwischen Beirut und Algier war der amerikanische Marinetaucher Robert Stethem erschossen worden. Fluggäste berichteten außerdem von schweren Mißhandlungen, denen sie ausgesetzt waren. 40 Amerikaner wurden später noch wochenlang als Geiseln in Beirut festgehalten. Die Täter erreichten mit all dem die Freilassung von über 700 Schiiten aus israelischer Gefangenschaft.

Daß Hamadi einer der Täter ist, stand nie in Zeifel. Er hatte seine Beteiligung schon nach den ersten vier Verhandlungswochen in einem überraschenden „Teilgeständnis“ zugegeben, bestritt aber, der Todesschütze zu sein. „Chef“ sei der Mann mit dem Decknamen „Said“ gewesen. Die Staatsanwälte gingen gestern davon aus, daß er keineswegs das kleine Licht, sondern „gleichberechtigter“ Täter wenn nicht gar der Anführer gewesen sei. Sie nehmen außerdem als sicher an, daß er der Todesschütze gewesen ist und spielten vier Möglichkeiten des Geschehens durch. Staatsanwalt Thiel kam immer wieder zu dem Schluß: „Hamadi war der Mörder!“ „Hundertprozentig sicher“, räumte er ein, sei das allerdings nicht. Augenzeugen der Todesschüsse gibt es nicht. Thiel stützte sich darauf, daß Stethem erschossen wurde, während sein vermuteter Komplize, der Libanese Izz Eldine, laut vorliegender Tonbänder mit dem Tower auf dem Beiruter Flughafen verhandelte. Zu seinen Auftraggebern hatte sich Hamadi eher kryptisch geäußert. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, daß er einem Befehl des militanten Flügels der Volksbewegung Hizbollah folgte. Hinweisen auf direkte Order aus Teheran gingen sie nicht nach. Es sei jedenfalls falsch, sagte Thiel, daß die Verteidigung versucht habe, die Amal -Milizen zu Drahtziehern zu machen.

Der Prozeß gegen Hamadi findet vor einem Jugendgericht statt. Viel spricht dafür, daß der Mann, der über sein Alter schweigt, zur Tatzeit gerade 21 Jahre alt war. Dokumente, die anderes besagten und aus trüben Quellen unter Beteiligung gleich welcher Geheimdienste gefischt worden waren, sprachen jedenfalls nicht beweiskräftig dagegen. Auch die Anklage hielt sich an das am häufigsten aufgetauchte Geburtsdatum, den 13.Juni 1964. Anklagevertreter Korneck stellte fest, daß Hamadi dann als Erwachsener zu verurteilen sei.

Vorsitzender Richter Heiner Mückenberger hatte es schwer mit der Wahrheitsfindung. Zu viele gerichtsfremde Interessen behinderten immer wieder den Gang der Hauptverhandlung. Da fehlten Aussagen, Beweismittel und Zeugen, die der US -Bundespolizei FBI während seiner Ermittlungen noch zur Verfügung gestanden hatten. Verteidigerin Gabriele Steck -Bromme hatte das immer wieder beharrlich moniert. Außerdem stand zu Beginn der Verhandlung noch das Leben der Geisel Rudolf Cordes auf dem Spiel. Der Hoechst-Manager kam nach 20monatiger Geiselhaft im September und nach langwierigen außenpolitischen Verhandlungen frei.

Mückenberger mußte mit diesen Hypotheken leben. Daß das Verfahren vor einem Jugendgericht stattfand und daß Hamadi nicht an die USA ausgeliefert wurde, hatte schließlich zu Prozeßbeginn auch Signalwirkung in Richtung der Geiselnehmer des Rudolf Cordes.

In der Hauptverhandlung sind über 40 ZeugInnen, Passagiere, BKA-, LKA- und FBI-Beamte, spitzelnde Mithäftlinge, Flugbegleiter, Verwandte und Bekannte Hamadis gehört worden. Warum er erst am 13.Januar 1987 unter dubiosen Umständen auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen wurde, bleibt unklar. Warum der vom FBI gesuchte Attentäter und Volksheld damals mit vier Flaschen Flüssigsprengstoff im Gepäck in die Bundesrepublik einreiste, bleibt sein Geheimnis. Während des gesamten Prozesses trat Hamadi einerseits als politisch motivierter Täter, andererseits redselig, unreif und geltungssüchtig auf. Entscheidet Richter Mückenberger mit seiner Kammer, daß Hamadi als Heranwachsender zu verurteilen ist, kann der Angeklagte mit einer Strafe von höchstens zehn Jahren Haft und einer Abschiebung in sein Heimatland noch während der Haftzeit rechnen.

Die Kammer hat lange verhandelt. Oft war BeobachterInnen nicht mehr nachvollziehbar, warum kilometerweise Filmmaterial von Fernsehgesellschaften - wirr zusammengeschnitten und zusammenhangslos präsentiert - im Gerichtssaal abgespult werden mußten, warum immer wieder verschiedensprachige Dokumente verlesen wurden, die eher behinderten als erhellten. Daß es nicht gründlich war, ist dem Gericht in diesem sich über Wochen manchmal fast leerlaufartig dahinschleppenden Verfahren nicht nachzusagen. Ob es - wie es einem Jugendgericht mehr als anderen aufgegeben ist - die eindrücklichen Schilderungen, die Hamadi von seiner Kindheit und Jugend in den Kriegsgebieten Palästina und Libanon, berücksichtigt, wird das Urteil zeigen. Staatsanwalt Korneck räumte ein, Hamadi sei kein „inhumanes Monster“, aber er habe dennoch mit „zutiefst menschenverachtender Gesinnung“ gehandelt und „die Grundfesten der Zivilisation“ angegriffen, als er eine Zivilmaschine entführte. Das Motiv der Befreiung schiitischer Gefangener sei zwar an sich „uneigennützig“, dann aber hätte er sich gegen die israelische Armee nicht aber gegen „unbeteiligte, unschuldige Passagiere“ wenden müssen.