Neues Gesetz zur Förderung der Gentechnik

Die Bundesregierung hat sich auf den Entwurf eines Gengesetzes geeinigt / Öffentlichkeit bleibt vor Information und Mitspracherecht bewahrt / Viele Ausnahmen bestätigen die wenigen Regeln / Hintertürchen für Forschung und Industrie  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

„Grundsätzlich“, so lehrt der von der Bundesregierung verabschiedete Referentenentwurf zum Gengesetz, ist ein geschicktes Wort. „Grundsätzlich“, so sagt Gesundheitsministerin Ursula Lehr, sollen gentechnische Arbeiten künftig genehmigungspflichtig sein - bis auf die Ausnahmen.

Wenn zum Beispiel in den Forschungsinstituten der Bundeswehr an den Grundlagen bakteriologischer Waffen gearbeitet wird, bedarf es keiner Genehmigung: Die Genforschung ist genehmigungsfrei. Unternehmen, deren Mitarbeiter die „erforderliche Sachkunde“ besitzen, brauchen „nach Stand der Wissenschaft“ für ungefährliche Arbeiten ebenfalls keine Genehmigung: die Anmeldung bei der Landesbehörde reicht, sagt der Gesetzentwurf.

Der neue Entwurf bestätigt die nach dem ersten Entwurf aufgekommenen Befürchtungen, hier handele es sich vor allem um ein Gesetz zur Förderung der Gentechnik, nicht um eines zum Schutze für die Bevölkerung. Das Gesetzeswerk bedeutet wenige Tage nach dem Debakel mit dem Naturschutzgesetz eine erneute herbe Niederlage für Bundesumweltminister Töpfer. Das obligatorische Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, das seit September vergangenen Jahres für gentechnische Anlagen - in der Bundesrepublik gibt es derzeit 824 Genlabors - gilt, wird durch das Gengesetz wieder abgeschafft. Innerhalb der vier Sicherheitsstufen wird eine Öffentlichkeitsbeteiligung nur für die gefährlichsten Klassen 3 und 4 für nötig befunden Forschung natürlich ausgenommen.

Was davon zu halten ist, sagt der Vorsitzende des Forschungsausschusses des Bundestages, Wolf-Michael Catenhusen (SPD): „Mir ist weltweit bislang keine Produktionsanlage bekannt, die unter den Bedingungen der Sicherheitstufe 3 oder gar 4 arbeitet.“

Mit dem Gesetz werde „jede öffentliche Kontrolle ausgehebelt“, betont auch der SPD-Experte Joachim Spanngenberg. Es gehe eher um den „Schutz der Gentechnik vor dem mündigen Bürger“.

Verantwortlich für die Genehmigung ist das Bundesgesundheitsamt. Eine dort angesiedelte „zentrale Kommission für biologische Sicherheit“ (ZKBS) soll vor der Genehmigung die Einstufung in die Gefahrenklassen zwei bis vier prüfen; die Überwachung übernehmen die personell damit überforderten Landesbehörden. Bestückt ist die Kommission, die aus zwölf Mitgliedern besteht, hauptsächlich mit Vertretern der Genforschung.

Auch Freisetzungsversuche bedürfen der Genehmigung durch das Bundesgesundheitsamt - bei angeblich ungefährlichen Versuchen ist aber auch hier eine Ausnahme vorgesehen. Die Begründung für den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Freisetzungsversuchen spiegelt die Philosophie des Gesetzes hier überaus deutlich wieder: Diese sei „nur dann geboten, wenn eine Kontrolle der Ausbreitung der gentechnisch veränderten Organismen nicht gewährleistet werden kann“, heißt es in der Begründung zum Gengesetz. Wie sorglos mit den Gefahren umgegangen wird, dokumentiert auch die Möglichkeit, den Nachweis für die „erforderliche Beschaffenheit und Ausstattung eines Genlabors nachträglich“ zu erbringen.

Vollends dubios wird es dann bei Unfällen. Der Bevölkerung werde zwar ein nachträgliches „Auskunftsrecht“ zugestanden aber nur, wenn die Geschädigten nach all der Heimlichtuerei einen Zusammenhang mit dem Verursacher überhaupt herstellen können. Und: „Die Pflicht zur Auskunft besteht nicht“, so heißt es im Artikel 25, wenn die „Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des Betreibers entspricht.“

Kein Wunder also, daß die Industrie bereits ihre Zufriedenheit signalisierte. Doch die Ministerin hat an alle gedacht: Umweltschutzverbände dürfen einen der zwölf Plätz der „zentralen Kommission für biologische Sicherheit“ besetzen.