„Nachschläge sind nicht mehr drin“

Die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach wendet sich gegen neue Angebote an die hungerstreikenden RAF-Gefangenen / Neuer Vorschlag aus SPD und AL hat keine Chance / Großgruppe in Berlin abgelehnt  ■ I N T E R V I E W

taz: Warum sträuben Sie sich, den RAF-Gefangenen das Angebot zu machen, in Berlin eine größere Gruppe aufzunehmen, wie es SPD und AL vorgeschlagen haben?

Limbach: Das hat ja nicht die Berliner SPD, sondern nur der Geschäftsführende Vorsitzende der Partei, Herr Lorenz, vorgeschlagen. Es war weder mit dem Senat noch mit der Fraktion abgesprochen. Eine Fülle von Gründen veranlassen mich, bei dem alten Vorschlag der Kleingruppe zu bleiben. Ich halte eine so große Gruppe nicht für wünschenswert, weil ich dann die Gefahr des Gruppendrucks sehe und fürchte, daß das Ziel der Resozialisierung damit nicht erreicht werden kann. Zudem hätte ich es nicht in der Hand, die Gruppen nach sozialpsychologischen Kriterien zusammenzulegen. Es ist zum Beispiel daran gedacht, diejenigen mit lebenslangen Strafen und mit Zeitstrafen zusammenzulegen und vor allem die unterschiedliche Geisteshaltung zu berücksichtigen. Ferner ist es rein räumlich für uns gar nicht möglich, alle Häftlinge oder auch nur eine große Gruppe aufzunehmen - es sei denn, ich wollte wieder den Hochsicherheitstrakt eröffnen. Weiterhin hat das Vollzugspersonal ohnehin schon eine schwierige Aufgabe zu leisten und fühlt sich durch die Aufnahme von Großgruppen überfordert. Bei Aufnahme einer Großgruppe in Berlin hätten wir künftig allein so ein Problem wie das des Hungerstreiks zu meistern. Sie dürfen nicht glauben, daß das der letzte Hungerstreik sein wird. Mein letztes Argument: Wenn Sie mehr Zeitungen als die taz lesen, wissen Sie, daß schon unser Angebot der Fünfergruppen in fünf Ländern sehr unpopulär ist und das Verständnis der Mehrzahl unserer Bürger und Bürgerinnen bei weitem überfordert. Das wäre gänzlich der Fall, wenn ich auf die Forderungen der Häftlinge einginge. Schließlich: Bei jeder Lösung bin ich auf die Beteiligung der anderen Länder angewiesen und muß versuchen, im Konsens zu handeln. Weder Schleswig-Holstein noch Nordrhein-Westfalen sind für mehr als den Kinkel-Vorschlag zu gewinnen.

Sehen Sie noch eine Möglichkeit, auf eine Gesamtlösung für die Gefangenen hinzuwirken?

Ich bin da im Moment voller Pessimismus.

Das klingt, als sei das letzte Wort gesprochen.

Von meiner Seite ja. Nachschläge zu dem Angebot der SPD -geführten Länder sind nicht drin.

Die Berliner Gefangene Gabriele Rollnik ist jetzt mit am längsten im Hungerstreik. Ihr Gesundheitszustand könnte bald kritisch werden. Sie haben eine harte Position formuliert, mit der man wohl kaum Bewegung in die Situation bringt.

Ich kann von mir aus im Moment keine Bewegung hereinbringen, die muß von der anderen Seite, von den Häftlingen kommen. Wenn AL und der Genosse Lorenz immer nur ihre Forderungen an uns verschärfen, so ist das einfach unrealistisch. Man verkennt die Möglichkeiten des Berliner Senats.

Warum können Berliner Senat und die ihn tragenden Parteien sich nicht koordinieren? Lorenz (SPD) und Wolf (AL) sind keine Hinterbänkler, sondern die Parteispitzen.

Das sieht nach der Funktion so aus, aber wir haben dieses Problem auch im Beisein der AL mit dem Regierenden Bürgermeister Am Dienstag und anschließend in der Fraktion diskutiert. Übereinstimmend kamen wir zu dem Ergebnis, daß der Kinkel-Vorschlag die Basis ist. Warum die AL und Herr Lorenz das Bedürfnis verspürten, unrealistische Forderungen zu formulieren, kann ich nicht sagen.

Etwas undurchsichtig wird die Haltung der SPD allmählich. Gestern widersprach die Düsseldorfer SPD der Regierung, jetzt ein „Berliner Alleingang“, wie Sie sagen.

Die Verantwortlichen in Kiel, Düsseldorf und Berlin sind sich einig. Aber der politische Hintergrund der agierenden Politiker ist unterschiedlich. Das Berliner und Kieler Verhalten wird stark von Teilen der kritischen Öffentlichkeit getragen. In NRW dagegen wird selbst aus Reihen der SPD dafür plädiert, die harte Linie beizubehalten und nicht auf irgendwelche Erpressungsversuche einzugehen. Dort ist sogar der Kinkel-Vorschlag umstritten.

Haben Sie Angst vor einer neuen Eskalation?

Die Angst hat mich seit meinem Antritt nicht verlassen.

Interview: Petra Bornhöft