SPIEGLEIN, SPIEGLEIN

■ „Das Trio in Es-Dur“ in der Schaubühne“

Sieben Bilder hat „Das Trio“, sechsmal besucht Adele ihren einstigen Freund Paul in seiner Wohnung. Pauls Situation, alleinlebend, klavierspielend, Adele und die Musik fanatisch liebend, bleibt immer gleich; die Welt kommt allein durch Adele herein. Aber die Welt ist nur ein Ausschnitt, reduziert auf die seelische Verfassung von Adele bzw. Paul. An der Behauptung, „daß zwei Menschen sich nicht lieben können, wenn sie nicht auch die gleiche Musik (das Trio!) lieben“ (Eric Rohmer), kulminiert das Miniaturdrama, wenn nämlich Adele nach einem Ausflug in die (sexuellen) Niederungen einer Rockmusikerliebe zu ihrem (zärtlichen) klassischen Höhenflügler zurückkehrt, was zu beweisen war.

„Lebst Du allein? Wer ist der neue Freund? Können wir uns nicht öfter sehen?“ ist - neben der Musik - der einzige Lebensinhalt Pauls. Stoisch hofft er auf eine Rückkehr Adeles und treibt derweil Psychologie: Wenn Adele die gleichen Schwindelgefühle bei einem Stück von Mozart empfindet, dann muß hier eine echte Seelenverwandtschaft vorliegen. A la Stiftung Warentest prüft er Adeles Beziehungsfähigkeit mit einer Compact-Disc „Trio in Es-Dur“, doch das Geschenk wird aus Versehen mit der Verpackung weggeworfen, vom allzu ordentlichen Rockmusiker. Der Test fällt negativ aus, der entscheidende Satz bleibt ungesagt, Adele kann gar nicht wissen, auf welchen Einsatz sie reagieren soll, und Paul kann den Einsatz nicht nennen, ohne das Spiel, das er ohnehin verloren glaubt, endgültig aufzugeben. Eine Trockenübung für freiwillige Feuerwehren, für Krisengebiete ist das nichts.

Paul (Ulrich Wesselmann) ist bei Jürgen Gosch ein leicht verzottelter, bebrillter Pedant, mit wenigen Wohninsignien in seiner Wohnung vegetierend, die mit ihrem abgeschliffenen Parkettboden und ihrer inszenierten minimalen Unordnung direkt dem Venusfallenmilieu der 80er Jahre entsprungen scheint, oder aber Rohmers sauberen Filmwohnungen.

Geschliffen sind auch die Dialoge, perfekt gestählt an einem intellektuellen Konversationston mit der zugehörigen Portion liebenswerter Schüchternheit, die von jeher für die Komik zuständig war. In dieser Kunstwelt intellektueller Nabelschau hat ein „Draußen“ keinen Platz, die böse Welt bleibt ausgesperrt, wie im „großen“ Kino.

Doch wenn die französischen Filmkomödien die Chance haben, mit der Kamera die Wirklichkeit auf einen kleinen Ausschnitt zu verengen, um beiäufig, aber genau zu beobachten, wird dasselbe Unternehmen durch das Medium Theater, den Guckkasten, die Umbaupausen, die exklusive Bühne zum obszönen Akademikerboulevard aufgebauscht. Obszön, weil die Sprach- und Gefühlsartistik alle gesellschaftlichen Widersprüche ignoriert. Daß man so sprechen kann wie Adele (Angela Schanelec) in einem singenden Tonfall zelebriert, ausschließlich über Gefühle, ist entweder utopisch oder reaktionär.

Durchs Fenster dringen nur leise Straßengeräusche, der Wechsel der Jahreszeiten und die Kleiderordnung der Protagonisten assoziieren Naturgesetzlichkeit ihrer Erkenntnisse über Liebe und Leben. Am Ende stehen die beiden Fenster weit offen, eine Erweiterung des Blickwinkels? Tschechovs Drei Schwestern müssen ihr „Moskau“, ihre Liebes und Lebenswünsche an der gesellschaftlichen Realität messen. Doch das Schaubühnen-Liebespaar lehnt sicht nur nach draußen, um sich gegenseitig anzuschauen, selbst ein Bild von „Gesellschaft“, einer Gesellschaft, die sich, mit metaphysischen und moralischen Begriffen beladen, im Kreis dreht, und ein Bild für das Kino, das sie mit narzistischer Seelenschau ernährt.

Ulrich Wesselmann und Angela Schanelec tun alles, um diese Karussellfahrt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ein leichtes Schwindelgefühl ist im Preis dabei.

Dorothe Hackenberg