Autonome Gedenkfeier

Zoff um jeden Preis am 1. Mai  ■ K O M M E N T A R

Das Weltbild derjenigen, die gestern unbedingt eine Neuauflage des 1. Mai anno 1987 haben wollten, steht unbeirrbar und ließ sich auch nicht dadurch verrücken, daß die Polizei nach Augenzeugenberichten sich in ungewohnter Weise zurückhielt. Aber wer von vornherein weiß „Zur Revolution gibt es keine Alternative“, den können solche Details bei der Vorgehensweise des „Schweine-Systems“ nicht aus der revolutionären Unruhe bringen. Die autonome Gedenkfeier mit Feuerwerk ist eine der unsinnigsten Aktionen, die sich die Szene seit Jahren geleistet hat.

Die Bestürzung, die sich vor zwei Jahren ausbreitete, hatte noch Ursachenforscher jeglicher Couleur auf den Plan gerufen, und hatte Kreuzberg und seine hunderte von Problemen für lange Zeit zum Thema gemacht. Der Funke, der damals übersprang, traf auf ein explosives Gemisch, entzündete sich spontan und löste eine erstaunliche Welle der Nachdenklichkeit aus. Was gestern zelebriert wurde, kann nicht mehr als plausibler Ausdruck gesellschaftlicher Unzufriedenheit, nicht als Reaktion auf brutalen Polizeivorgehen oder als spontaner Ausbruch gewertet werden. Daß ausgerechnet ein Getränkemarkt geplündert wurde, spricht für sich.

An der Linken liegt es, diesmal eindeutig Stellung zu beziehen und sich nicht wie die vielen Zaungäste bei den gestrigen Krawallen zu bloßen erstaunten Gaffern degradieren zu lassen. Die Autonomen werden zu erklären haben, was das Werfen von Molotow-Cocktails auf die U-Bahn mit Kritik am rot-grünen Senat zu tun hat. Als Antwort erwarten wir mehr als die Phrase, daß die BVG zum Schweinesystem gehört.

Rita Hermanns