Spanischer „Kampftag“ zum 1. Mai

Madrid (taz) - Es sei für ihn schmerzlich, so der betagte Vorsitzende der spanischen Sozialistischen Partei (PSOE), Ramon Rubial, nicht zur 1. Mai-Demonstration eingeladen worden zu sein, obwohl er während der Diktatur soviel Kraft für diese Demonstration aufgebracht habe. Keinen der sozialistischen Parteiführer hat die noch sozialistische Gewerkschaft UGT diesmal eingeladen - ein Novum in der spanischen Geschichte, und statt dessen ging sie zum ersten Mal seit Mai 1982 wieder gemeinsam mit der kommunistischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO) auf die Straße. In einem Meer roter Fahnen liefen gestern die Vorsitzenden der beiden Gewerkschaften, Nicolas Redondo und Antonio Gutierrez, an der Spitze eines langen Zuges durch die Madrider Innenstadt. Der Demonstration hatten sich die neubenannte anarchosyndikalistische Gewerkschaft CGT angeschlossen. In ganz Spanien wurden mehrere hunderttausend Teilnehmer zu den Mai-Demos erwartet, die unter dem Motto: „Jetzt reichts!“ eine Art Neuauflage des Generalstreiks vom 14. 12. darstellen sollten. Zur Unterstreichung dieses erneuten „Kampftages“ war das Land seit Wochen von Streiks durchzogen worden: Die Mehrzahl der Züge fuhren nicht, die Post und die Lehrer streikten, der öffentliche Verkehr stand in vielen Städten still, und Madrid versank für ein paar Tage wegen des Streiks der Müllabfuhr im Abfall. Nur sechs Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, die in Spanien Testwahlen für die sozialistische Regierung sein werden, haben die Gewerkschaften mobilisiert, um der Öffentlichkeit klarzumachen, daß die Regierung eine Forderung des Generalstreiks nach einer wirtschaftlichen und sozialen Wende nicht erfüllt hat. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte will die UGT ihre Mitglieder nicht aufrufen, bei den Wahlen ihre Stimme der Sozialistischen Partei zu geben.

Antje Bauer