Besuch im Kriegsgebiet

■ Als erste in der Bundesrepublik hat die Hochschule Bremen einen Kooperationsvertrag mit der palästinensischen Partnerin Birzeit abgeschlossen

Ein stattlicher Gebäudekomplex droben im palästinensischen Bergland, mit hellem Naturstein verkleidet, mit orientalischen Rundbögen versehen: Der Neubau der Universität Birzeit. Der Bremer Hochschulrektor Ronald Mönch, vor kurzem von einer Delegationsreise zurück, gerät ins Schwärmen: „Das Gebäude, die Lage; bei uns gibt es keine so schöne Uni.“ Der Bremer SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Detlef Griesche, ebenfalls Mitglied der fünfköpfigen Delegation: „Die Universität Birzeit steht da, als wenn eine Neutronenbombe reingefallen wäre. Menschenleer. Alles liegt in den Laborräumen so da, als wenn gerade ein physikalischer Versuch abgebrochen worden wäre.“

Seit Beginn des Aufstandes in den besetzten Gebieten im Dezember 1987 ist die Universität Birzeit geschlossen, die Schulen und die Kindergärten ebenfalls. Von den Maßnahmen der israelischen Besatzungsmacht hat sich

die Leitung der (Fach-)Hoch schule Bremen nicht abhalten lassen, eine Partnerschaft mit Birzeit anzubahnen. Die kleine April-Delegation schließlich kehrte mit einem unterschriebenen Kooperationsvertrag nach Bremen zurück. Das erste deutsch-palästinensische Hochschul -Abkommen überhaupt.

Welche Aktivitäten die Partnerschaft in der Intifada beleben sollen, steht noch nicht fest. Der Vorschlag zum Beispiel, daß palästinensische StudentInnen mehrmonatige Praktika in Bremer Betrieben absolvieren, ist in Birzeit umstritten. Für etliche Hochschulangehörige ist es ein Politikum, junge Leute mitten im Aufstand außer Landes zu schicken. Andere Vorschläge gehen dahin, Bremer GastprofessorInnen nach Birzeit zu entsenden oder mit Bremer Hilfe in Birzeit ein zentrales Wartungslabor aufzubauen. Mönch: „Da gibt es keine Firma, die ein Gerät wartet. Ist es kaputt, ist es kaputt.“ An die

Fachhochschule Wiesbaden und ihre Reben-Forschungsanstalt will Mönch den Wunsch weitergeben, die Partneruniversität zu beraten, damit die umliegenden Hügel fachkundig mit Weinreben „aufgeforstet“ werden können. Ronald Mönch, zur Zeit Vorsitzender der Konferenz der Fachhochschul-Rektoren, sieht den „vielleicht allerwichtigsten Punkt“ darin, seine palästinensischen Kollegen zu einem europäischen Rektoren -Forum einzuladen: „Das kann internationale Anerkennung bringen. Zur Zeit dominieren da die israelischen Rektoren.“

Seit die Besatzungsbehörden die Universität geschlossen haben, wird versucht, im Untergrund Lehrveranstaltungen abzuhalten. Doch, so Mönch: „Jede zweite Veranstaltung wird ausgehoben.“ Ob sich unter diesen repressiven Bedingungen noch, wie geplant, Bremer SprachstudentInnen finden, die für ein Jahr an der Partneruni ihre Arabisch

Kenntnisse vertiefen wollen, bleibt abzuwarten.

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Detlef Griesche, der vor zwei Jahren mit einem Kollegen die Hochschulkontakte angebahnt hatte, schildert die brutale israelische Repression. Gleich am ersten Tag, nach einem Besuch der Geburtskirche in Bethlehem, sei er Zeuge gewesen, wie „die Polizei ein Auto kaputtschoß“. Am nächsten Tag habe ein radikaler Israli in Jerusalem „um sich geschossen“. Folge: Drei Tote. Und am dritten Aufenthalts-Tag beging die israelische Grenzpolizei ein Massaker in einem Dorf bei Bethlehem. Folge: Sieben Tote und dreißig Verletzte. Dennoch, so fand Detlef Griesche, „die Israelis kommen gar nicht mehr an gegen die Intifada und gegen die palästinensischen Fahnen, die überall hängen. Wenn die Palästinenser in fünf bis sechs Jahren ihren Staat haben, haben die eine eigene Infrastruktur aufgebaut.“

B.D.