Feuerteufel macht Kita-Notstand

■ Kindergarten in der Thedinghauser Straße abgefackelt: Zu den 80 Absagen kommen jetzt noch 140 Kinder mehr ohne Kindergartenobdach / Hochbauamt lehnte Alarmanlage aus Kostengründen ab

Das gelbe Papier wellt sich, an den Rändern schwarz verkokelt, hinter der dick mit Ruß verklebten Scheibe. Angekündigt wird so noch die „feierliche Grundsteinlegung zur Erweiterung des Kindertagesheimes Thedinghauser Straße“, und als Festredner sind spaßeshalber Sozialsenator Henning Scherf und Bürgermeister Klaus Wedemeier angekündigt. Ein symbolischer Akt des Protestes, zu dem der Elternbeirat für heute nachmittag eingeladen hatte, um auf die katastrophale Versorgung mit Kindergartenplätzen in der Bremer Neustadt hinzuweisen.

Der Termin ist hinfällig, die Not noch größer geworden. Unbekannte Täter legten am Sonntag-abend in dem Flachbau Feuer. Das Kindertagesheim ist zerstört, muß wahrscheinlich völlig neu aufgebaut werden. 132 Kinder, die bislang in dem KTH betreut wurden, stehen auf der Straße, oder besser: sind auf Versorgung durch Eltern, Freunde oder Be

kannte angewiesen. „Einige Mütter haben geweint, als sie von dem Brand erfuhren“, berichtet ein Mitarbeiter. Was Wunder, wissen doch berufstätige Alleinerziehende kaum einen Ausweg, um ihren Alltag zu organisieren.

„Morgen wollten wir den Grundstein für den Erweiterungsbau legen, und heute gucken wir uns eine Ruine an“, konstatierte Sozialsenator Henning Scherf, dem offensichtlich entgangen war, daß der Erweiterungsbau nur ein Eltern-Jux mit ernstem Hintergrund gewesen war, vor Ort.

Daß ausgerechnet das KTH Thedinghauser Straße angesteckt worden ist, kommt so überraschend nicht. In den letzten zwei Jahren ist in dem von der Straße kaum zu sehenden Flachbau fünfmal eingebrochen worden, kleine Brände wurden gelegt, vor kurzem ein Raum mit einem Feuerlöscher verdreckt. Trotzdem hat das Hochbauamt die Bitte der Kita, eine Alarmanlage einzu

bauen, aus Kostengründen abgelehnt.

Bis die Gutachter der Versicherung die genaue Schadenshöhe festgestellt haben, gehen sechs Wochen ins Land. Und ehe Planung und Neubau dann durchgeführt sind, wird nach ersten Schätzungen wohl das Kindergartenjahr 1990/91 beginnen. Was tun bis dann? Die 3-6jährigen werden wahrscheinlich in einem nahegelegenen Jugendfreizeitheim den dortigen Nutzern einen Teil des Platzes wegnehmen müssen. Die Hortgruppen sollen auf Schulen verteilt werden.

Die MitarbeiterInnen des Kindergartens können der kleinen Katastrophe gar noch etwas Positives abgewinnen: „Wenn die Perspektive stimmt, können wir mit dem Prinzip Hoffnung leben“, meinte Kindergartenleiter Schmidt und erhofft sich von einer Neuplanung eine generelle Verbesserung der Kindergartensituation. Hat doch gerade die Kita Thedingahuser Straße mit 80 Ablehnungen für das kommende Jahr die höchste Absagequote. Angesichts der unklaren Situation müssen auch die 38 Kinder denen ein Platz zugesagt werden sollte, mit einem negativen Bescheid rechnen. Scherf mochte sich dennoch nicht ohne ein hoffnungstiftendes Wort von dannen machen: „So makaber das auch klingt, das ist auch eine Chance für eine vernünftige Lösung.“

hbk