„Die Deeskalation ist gescheitert“

Burkhard von Walsleben, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, zu den Kreuzberger Krawallen  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr von Walsleben, ist die Deeskalationsstrategie des neuen Senats gescheitert?

Walsleben: Ja, nach den furchtbaren Ausschreitungen heute nacht, kann man klipp und klar sagen, daß dieses Prinzip der Deeskalation, das ja von Innensenator Pätzold zum Kernpunkt seiner Innenpolitik gemacht wurde, gescheitert ist - wobei wir als Polizei sagen müssen, daß es für uns diese Form gar nicht gibt.

Worin bestanden denn die Fehler, die die Polizei gemacht hat?

Die Polizei hat keine Fehler gemacht. Schon in der politischen Vorgabe des Innensenators in den Vorbesprechungen zum 1.Mai wurde deutlich gemacht, wie er sich den Polizeieinsatz vorstellt, so daß der Polizeieinsatzleiter vor Ort überhaupt nicht mehr den Spielraum hatte, den er eigentlich haben muß. Denn nur der Einsatzleiter kann aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung entscheiden, wann und wie eingeschritten wird. Wenn man hört, und uns liegen solche Erkenntnisse vor, daß der Innensenator gesagt hat, er möchte die Polizeikräfte in den Nebenstraßen mitführen und nicht heranführen, eine Zeitverzögerung nimmt er in Kauf und er würde auch in Kauf nehmen, daß dadurch Schäden entstehen, dann muß man sagen, daß dies eine Einengung des polizeilichen Handeln ist.

Die Polizeigewerkschaft, ihre konkurrierende Organisation, fordert den Rücktritt von Momper und Pätzold. Sie auch?

Nein, das haben wir früher auch nicht gefordert. Wir fordern aber, daß dies politisch aufgearbeitet wird. Es muß eine Debatte im Abgeordnetenhaus geben. Wir treffen morgen mit der CDU-Fraktion zusammen und werden uns selbstverständlich über dieses Thema unterhalten. Wir fordern die Opposition natürlich auf, sich im Parlament kritisch damit auseinanderzusetzen. Danach, wenn der Senat die Möglichkeit hat, die Vorfälle aus seiner Sicht darzustellen, wird man entscheiden können, ob der Senat zurücktreten soll oder nicht.

Haben Sie sich bei Herrn Kewenig besser vertreten gefühlt?

Die Qualität der Auseinandersetzungen innerhalb der letzten Jahre ist ungefähr gleichzusetzen. Man muß allerdings sagen, daß die Auseinandersetzungen der letzten Nacht, die Krawalle von 1987 und 1988 noch überschritten haben. Das ist sehr bedauerlich. Wir haben immer gesagt, daß die Probleme in Kreuberg nicht mit der Polizei, sondern politisch gelöst werden müssen. Sicher hat ein Innensenator Kewenig nicht so weit in die Einsatzpraxis eingegriffen, wie das diesmal passiert ist.

Interview: ccm