„Die Todesstrafe muß weg...“

Ludwig Fellermaier (SPD), 2.Vorsitzender des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EG-Türkei, besuchte die Türkei  ■ I N T E R V I E W

taz: Was war der Anlaß Ihres Türkeibesuchs?

Fellermaier: Ich war über eine Woche in der Türkei, weil zum ersten Mal seit dem 12.Dezember 1980 in Ankara eine Sitzung des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EG-Türkei stattfand, der sich aus 18 türkischen Parlamentariern und 18 Mitgliedern des europäischen Parlaments zusammensetzt.

Sie haben erklärt, es habe in Ankara lebhafte Kontroversen gegeben. Was heißt das?

Die Kontroversen sind vor allem bei dem Tagesordnungspunkt „Die Situation der Entwicklung der Demokratie und der Menschenrechte in der Türkei“ entstanden. Wir hatten den Innenminister und den Justizminister in den Ausschuß gebeten und nochmals die Forderungen präzisiert, die das Europäische Parlament gegenüber der Türkei erhoben hat:

Einstellung der Massenprozesse, die Todesstrafe muß weg, und eine Strafrechtsreform muß sicherstellen, daß nicht täglich erneut an irgendeiner Stelle in diesem Lande munter drauflos verhaftet werden kann.

Die Türkei hat ja ein reges Interesse an der Mitgliedschaft in der EG. In welchem Stadium befindet sich der Aufnahmeantrag?

Es gibt einen Assoziierungsvertrag zwischen der Türkei und der EG, der durch den Militärputsch von 1980 eingefroren worden war, jetzt aber langsam sozusagen wieder in Bewegung gerät. Dort sind viele Fragen zu regeln im Wirtschafts-, Finanz- oder Sozialbereich, zum Beispiel die Frage der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft, die soziale Sicherung der Familien, die hier leben. Der Beitrittsantrag der Türkei ist gestellt nach den Römischen Verträgen. Die EG-Organe, die sich damit befassen, die Europäische Kommission in Brüssel, der EG-Ministerrat und das Europäische Parlament halten sich strikt an die Vorgaben der Römischen Verträge.

Aber eines der Kriterien ist ja eben auch die Menschenrechtssituation. Was ist in dieser Hinsicht die offizielle Haltung der Türkei?

Also, ich wäre doch etwas hoffnungsvoller gewesen, wenn ich nicht mit den Eindrücken nach Hause gekommen wäre, und das haben mir zahlreiche Untersuchungshäftlinge in verschiedenen Haftanstalten immer wieder bestätigt, daß die Polizei immer noch aus den Häftlingen Geständnisse unter Folter erpressen will.

1980 sind von der EG nach dem 4.Finanzprotokoll umgerechnet rund 1,2 Milliarden Mark an Unterstützungszahlungen für die Türkei eingefroren worden. Werden die Gelder bald aufgetaut?

Ich würde nicht davon ausgehen; das Parlament hat darüber das letzte Wort. Es ist nicht vorgesehen im Haushalt 1989, ich denke auch, nicht für 1990.

Interview: Barbara Geier