„Normale Gewalt ist auch politisch“

■ Die AL tut sich schwer, klare Positionen zu den Kreuzberger Mai-Krawallen zu beziehen

Was am Mittwoch abend bei der Diskussion über die Mainacht im Delegiertenrat der AL zutage trat, war eine verquarste Mischung aus sozialromantischen Revolutionsvorstellungen und dem Unvermögen die eigene Reformpolitik zu vertreten.

Wenn sich zum Beispiel der „Grüne Panther“ Volker Härtig mit dem Ökosozialisten Thomas Fruth darin einig ist, daß sich seit dem 1. Mai 1987 nichts geändert habe, so haben beide aus unterschiedlichen Gründen unrecht. Härtig, weil er meint, die Krawalle seien aus denselben niederen Motiven ausgebrochen, und Fruth, weil er an die edlen sozialen Beweggründe glaubt. Beide Ansatzpunkte führen nicht weiter. Denn: 1987 feierte die CDU 750 Jahre und die Polizei haute drauf. Heute regiert Rot-Grün, die Polizei gab keinen Anlaß zur Provokation und die Krawalle wurden militär-strategisch vorbereitet, um zu demonstrieren, daß man sich von der reformistischen, Politik nicht werde befrieden lassen. „Gewalt ohne Legitimation“ (Harald Wolf, GA). Grade wegen dieses politischen Kerns müsse man die Autonomen, die den Zoff begonnen haben, ernst nehmen, widersprach Birgit Arkenstette, undogmatische Linke und Mitglied im GA der Anwältin Margarete von Galen, die fand, daß denen, die da Steine geschmissen hätten, der rot-grüne Senat „scheißegal ist“. Daß sich bei Alternativer Liste und den Autonomen zwei „konträre Politik-Konzepte“ entgegenstehen fand auch Christian Ströbele. „Die glauben, daß der Staat durch nichts zu reformieren ist“, sagte der Parteivorständler. „Wir haben im Augenblick eine andere Strategie.“ Damit aber war Johannes Spatz, Mitunterzeichner der umstrittenen Presseerklärung der Ökosozialisten, gar nicht einverstanden. „Einen Tränengaseinsatz kann ich niemals rechtfertigen“, sagte er. Die meisten Delegierten aber würdigten den defensiven Polizeieinsatz positiv.

Die Zahl derer, die den Krawallen eine „soziale Berechtigung“ zuschrieben, war groß. Siggi Fries, Berliner Bundestagsabgeordnete, tat allerdings der Gruppe der Ökosozialisten keinen großen Gefallen, als sie sagte, für sie sei auch die „normale“ Gewalt politisch. „Wenn zum Beispiel jemand eine Unterhose oder einen BH klaut, um seiner Mutter mal Unterwäsche schenken zu können.“ Daß die Tatsache, daß man die Krawalle verurteile, nicht zwangsläufig hieße, die Menschen auszugrenzen, versuchte die Abgeordnete Lena Schraut zu begründen. „Wir müssen Ursachenforschung treiben“, forderte die Kreuzbergerin und „mit den Autonomen reden“. Der Abgeordnete Benno Hopmann gab zu bedenken, daß auch autonome Gruppen „keine Randale im Kiez“ wollten.

Volker Härtig warnte am Ende noch einmal diejenigen, die in einer anderen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik eine Möglichkeit sehen, zukünftig Krawalle zu verhindern. Härtig: „Wir schummeln uns schon wieder um klare Positionen herum.“

bf