Kaltes Herz aus Marmor

■ Romantische Hörspiel-„Wachträume“ beim SFB

m Sonntag, den 23.April abends um neun Uhr gab es auf SFB 1 die erste Folge einer zwölfteiligen Romantik-Reihe zu hören, und zwar Das Marmorbild von Joseph von Eichendorff in Bearbeitung von Gert Westphal (1954). Romantische Musikszenen stimmen auf Frühsommer ein, aus der Stadt aufs Land reitet Florio, der junge Dichter, trifft bald den Sänger Fortunato. Freundliche Gespräche führen die beiden, umgeben von lieblicher Landschaft, wo heitere Mitmenschen anzutreffen sind, auf Spaziergängen und beim Spiele. Daran wird sich zu Zeiten etwas ändern; auf tritt der „mephistophelische Ritter“ Donati, dämonisch dunkelt es nun, und in der Spanne solch entgegengesetzter poetischer Kräfte wird sich des fahrenden Dichters Weg nun bewegen.

Rührend nah an diese Erzählung hält Regisseur Gert Westphal sich bei der Einrichtung der Dialoge: Ein Sprecher (Erzähler) reicht das Wort zur direkten Rede, auch zum Gesang, jeweils von Darsteller zu Darsteller. Mal läßt er vorklingen, um dann die Rolle ganz deren Träger zu überlassen. Es wirkt wie Feinarbeit, sehr verbindlich in aller Fröhlich- oder Düsterstimmung. Ton für Ton für Ton, jeglicher für voll genommen.

Im ärgsten Tohuwabohu der Handlung - wenn ein Grausen ihn schon erfaßt hat - findet Florio doch Worte, im Stoßgebet: „Herrgott, laß mich nicht verlorengehn in dieser Welt!“

Die zweite Folge vom Dienstag, 25.4., brachte Hans Magnus Enzensbergers Requiem für eine romantische Frau als Hörspielbearbeitung der Geschichte von Auguste Bußmann und Clemens von Brentano. Produziert wurde das Stück 1983 von WDR und SFB, fünf Jahre also vor der Buchfassung bei der Friedenauer Presse. Auguste Bußmanns rekonstruierte Biografie läßt sich da vernehmen als eine Montage aus Briefen, unterm Requiem-Titel verflochten mit Teilen und verschiedenen Fassungen des Brentano-Gedichts Verzweiflung in der Liebe an der Liebe.

Da ist eine aufregende Komposition gelungen; romantische Orchestermusik zur Einleitung, dann rhythmische Wortübungen, suchen, sich vergewissern, wiederholen, mischen, ordnen, noch mal anhören, bevor sie alle sich zu Texten weben lassen, wieder in Fluß kommen, blockieren vielleicht? Prophezeihungen klingen an, Klagen werden laut, Hoffnungen, Berichte bis ans Ende. Nach Schluß gab es noch eine Würdigung des Autors H.M.E.: Rede an Auguste Bußmann.

Die dritte Folge, Das kalte Herz, mußte „aus sendetechnischen Gründen“ verlegt werden. Zu Mark Lothars Funkoper, die im März 1935 vom Berliner Deutschlandsender uraufgeführt wurde, schrieb Günter Eich das Libretto. Als Stoffquelle diente das bekannte Märchen von Wilhelm Hauff. Die Funkoper wird nun am 9.Mai (SFB 3, 20.15 Uhr) zu hören sein. Bis dahin wird am Dienstag, 2.Mai (SFB 3, 20.15 Uhr), auch Folge vier der Wachträume dargeboten worden sein: Die Sprache ist Delphi nach den Fragmenten von Novalis, ausgewählt von Ronald Steckel. Impuls war dem Hörspielautor die Bemerkung des Novalis, daß „die Sprache nichts anderes als sich selber spricht“.

Am 7.Mai, Sonntag, 21.05 Uhr auf SFB 1, wird es den fünften Wachtraum geben: Lucinde von Garleff Zacharias -Langhans und Petra Kiener nach Texten von Friedrich Schlegel, Dorothea Veit, Schleiermacher, Novalis u.a. 1799 erschien Friedrich Schlegels gleichnamiges Buch. Lucinde war ein anarchisches Werk gegen „das Laster der Prüderie“, gegen Erziehung als Herrschaft der Eltern über die Kinder, für freie Liebe, schönen Wildwuchs und für den Müßiggang. Eine Liebeskunst im umfassenden Sinn: ein Lob männlicher Weiblichkeit und weiblicher Männlichkeit, des spielerischen Rollentauschs und der Liebe zu allem Lebendigen. Roman und Leben waren für die Romantiker untrennbar: die Kunst war Ausdruck erlebter Poesie, das Leben ein poetischer Versuch.

Der SFB versucht noch bis Ende Juni, uns das romantische Lebensgefühl via Hörfunk einzuhauchen.

Regina Stetter