Wenn die Leinwand mitspielt

■ Die amerikanische Multimediakünstlerin Molly Davies im Frankfurter Theater am Turm

Als die Bilder laufen lernten hieß es einmal im Fernsehen, und man konnte neben den Slapstickhelden aus den Anfangsjahren des Films auch die technischen Mängel des neuen Mediums bewundern. Die Illusion war zwar äußerst vergnüglich, aber noch nicht perfekt. Heute hat die Filmmaschinerie die illusionistischen Möglichkeiten des Mediums perfektioniert - die Filmkünstlerin Molly Davies macht sich dies zunutze.

In ihrer neuesten Produktion Arrivals & Departures, die letzte Woche zum ersten und einzigen Mal in Europa zu sehen war, nimmt sie die Leinwand aufs Korn. Die ist Projektionsfläche, Trägerin des schönen Scheins und ganz anders, als wir sie kennen: Mal besteht sie aus hochschwebenden großen Luftballons; eine schmale Stellwand, die nur einen Teil des Bildes wiedergibt; mal aus einer Rückwand, die lamellenartig unterteilbar ist und hinter der weitere Projektionsräume entstehen; aus einem Vorhang, der in Streifen herunterhängt, nur teilweise abbildet, damit aber auch dahinterliegende Bilder verdeckt.

Projiziert wird mit fünf Projektoren, und Molly Davies arrangiert die Abläufe auf den einzelnen „Leinwänden“ äußerst kunstvoll. Ein Paar unterhält sich und erscheint absolut getrennt auf verschiedenen Stellwänden. Dann werden in der Rückwand zwei Lamellen umgeklappt, und es entsteht kurz ein ganzes Bild. Die beiden tauchen wieder auf den Ballons in der Höhe auf. Jetzt sind sie soweit, daß sie idyllisch nackt in ein schönes Gewässer springen. Durch die Rundung der Ballons entsteht aber eine Sogwirkung. Es sieht so aus, als ziehe es sie in einen Trichter, unentrinnbar.

Arrivals & Departures, Molly Davies‘ filmische Arrangements um Ankünfte und Abreisen sind alleine für sich ein spannendes Erlebnis. Aber die Amerikanerin will mehr, und schon ist man mitten im Multimediageschehen. Aber die zusätzlichen „Medien“ wirken zum Teil störend. Die Tanzstücke der Robert-Wilson-Choreographin Suzushi Hanayagi sind Einzelauftritte mit Performancecharakter. Alleine haben sie als Bilder für die Sisyphusarbeit des Lebens durchaus Qualität, zusammen mit den Filmteilen entsteht nichts Schlüssiges. Sie stellt die Mutter dar, um die es im Text von Charles L. Mee jr. geht: Ein junger Mann erinnert sich an die Sterbende. Dem über Band gesprochenen Text kann man aufgrund der filmischen „Ablenkungen“ leider viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken.

Anders das Zusammenspiel der Filmbilder mit der Musik Takehisa Kosugis. Seine minimalistischen Improvisationen auf der Violine könnten Filmmusik sein, widersprechen aber gleichzeitig dem, was Filmmusik üblicherweise ist. Die kurzen Violinphrasen - elektronisch vervielfältigt kommunizieren mit den Filmbildern und stehen für sich. Vor allem dann, als Kosugi einmal über die Bühne geht als wäre er der Geiger im Cafe.

Jürgen Berger