Christliche Zeitschriften

■ Salz der Erde / Junge Kirche / Publik Forum / Amos / Kreuz & Quer

Der linke, sprich kirchen- und theologiekritische Teil des evangelischen Blätterwaldes erlebt seine zweite Blüte. Drohte vor einigen Jahren der Großteil der „grauen Kirchenliteratur“, die im Gefolge des 68er-Aufbruchs entstand, zu versiegen, so haben sich inzwischen einige „linke“ christliche Zeitschriften qualitativ wie auflagenmäßig bestens entwickelt. Sie bilden mittlerweile ein wirksames Gegengewicht zu den kirchlich bezuschußten offiziellen Blättern wie den 'Lutherischen Monatsheften‘ oder den 'Evangelischen Kommentaren‘.

Unabhängig von Amtskirche und Werbeeinnahmen, oft von ihren HerausgeberInnen mühsam finanziell in den schwarzen Zahlen gehalten, berichten sie aus dem Inneren des Wals. Mit dem Bewußtsein „Die Kirche sind wir“ und in kritischer Solidarität zum institutionellen Christentum lassen sie sich ein auf Konflikte mit den Oberen. Die Öffentlichkeit, die sie sich mit ihren Publikationen verschaffen, stärkt ihnen dabei den Rücken.

Die hier angezeigten Zeitschriften sind teils relativ junge Projekte ('Salz der Erde‘ und 'Kreuz & Quer‘), haben sich aus der studentischen Sturm- und Drangzeit herübergerettet ('Amos‘), oder sind im Kirchenkampf der nationalsozialistischen Zeit verwurzelt ('Junge Kirche‘). 'Publik Forum‘ sorgt auf katholischer Seite dafür, daß „die Wahrheit nicht zu kurz kommt“.

'Junge Kirche‘

Nach 50 Erscheinungsjahren scheint die 'Junge Kirche‘ eine zweite Jugend zu erleben. Zwar ist die „Zeitschrift europäischer Christen“ von ihrer Aufmachung her farblos wie eh und je, doch hinter den Kulissen tut sich Bedeutsames. So faßte die jährliche MitarbeiterInnenversammlung im Februar einen Frauenquotierungsbeschluß für den HerausgeberInnen-, Redaktions- und MitarbeiterInnenkreis.

Inhaltlich hat die 'Junge Kirche‘, die sich in der Tradition der „Bekennenden Kirche“ des Dritten Reichs versteht, in den letzten Jahren intensiv den „konziliaren Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ begleitet. Ausgehend von der Weltkirchenkonferenz 1983 in Vancouver, die den Zusammenhang von Weltfrieden und Gerechtigkeit erklärte, sollte dieser „Prozeß“ von der kirchlichen Basis her den zumal in westdeutschen Kirchen unliebsamen Beschluß verbindlich machen. Zusätzlich 1985 genährt durch Carl Friedrich von Weizsäckers Forderung nach einem weltweiten „Konzil des Friedens“, wurde an der Basis euphorisch darauf hingearbeitet. Mitlerweile ist diese Euphorie der Ernüchterung gewichen - wurden doch auf den beiden bisherigen offiziellen Foren des „konziliaren Prozesses“ (Königsstein und Stuttgart) die Basisgruppen von Kirchenamtsmännern in bewährter Manier ausgezählt. In den Ergebnispapieren finden sich denn auch überwiegend ausgewogen-volkskirchliche Formulierungen. Werner Simpfendörfer geht in der 'Jungen Kirche‘ dieser Entwicklung nach und beschreibt die deutsche im Vergleich zur weltweiten Diskussion. „Männlich, amtlich, akademisch“ sei sie hierzulande gewesen: da werde Personenkult mit dem angeblichen Initiator C.F.v.Weizsäcker getrieben, da würden vormals unaufgebbare Inhalte der Konsensfindung zum Opfer fallen - und die „Vision des Reiches Gottes“ durch die „Vision eines christlichen Konzils“ verdrängt.

Im gleichen Heft der 'Jungen Kirche‘ schreibt der Münsteraner Studentenpfarrer Otto Meyer „Zur Kreuzestheologie im heutigen Protestantismus“. Ausgehend von einem Erlebnis im Gottesdienst, denkt Meyer über Ausverkauf, Verflachung und Verfälschung christlicher Symbole und Glaubenswahrheiten nach. Meyer zeigt eindrucksvoll, wie das Kreuz „zur pervers benötigten Selbstgeißel“ verkommt - nicht nur in den konservativ-evangelikalen Kreisen, sondern auch in der progressiv erscheinenden „heute vorherrschenden protestantischen Gemeindetheologie“. Gegen eine derartige Mißinterpretation (wie sie auch Uta Ranke-Heinemann sieht) stellt Meyer den biblisch-theologischen Befund, wie er heute in den Befreiungstheologien vertreten, besser: gelebt wird. Hier sei das Kreuz einerseits als Unterdrückungsinstrument der Herrschenden dieser Welt gesehen, andererseits zeige die österliche Auferstehung, daß die durch dieses Terrorsymbol beschriebene Realität überwunden werden kann. Nicht Unterdrückung, sondern Befreiung, christlich gesprochen: nicht Kreuz, sondern Auferstehung sei das letzte Wort - und „wir Christen hätten als erste den Kreuzigern (von heute) die Gefolgschaft aufzukündigen“.

'Publik-Forum‘

„Besser es gibt Skandal, als daß die Wahrheit zu kurz kommt.“ Diesen Ausspruch des Papstes Gregor des Großen aus dem 7.Jahrhundert hat sich 'Publik Forum‘ zum Leitsatz gemacht. Die Zeitschrift - vorwiegend katholischer kritischer Christen erhielt dafür, daß sie diesen Anspruch eingelöst hat, im Januar den Herbert-Haag-Preis der Universität Tübingen. Aus diesem Anlaß sprach der evangelische Theologe und Publizist Jörg Zink zum Thema „Freie Publizistik in einer freien Kirche“. Zink, sonst eher bekannt als Autor christlicher Lebenshilfebüchlein, zeigt sich hier als engagierter Verfechter sowohl unabhängiger Publizistik als auch einer von Hierarchien und Konfessionen unabhängigen Kirche.

Daß es zur Zeit jedoch weder mit freiem Journalismus noch mit freier Kirche weit her ist, belegt Zink mit drei von unzähligen Beispielen, in denen sich kirchliche, wirtschaftliche und politische Machtinteressen miteinander verbanden gegen zu deutliche Äußerungen im Wort zum Sonntag. Demgegenüber sei es, so Zink, gerade Aufgabe von Christen, sich für die Freiheit von PublizistInnen, gegen Zensur jedweder Art stark zu machen. Dies gelte gerade auch für sich der Kirche verpflichtete JournalistInnen; deren Aufgabe könne es nicht sein, Kirche unkritisch als quasi -göttliche Ideal-Institution darzustellen. Vielmehr müßten gerade sie innerkirchliche Konflikte der Öffentlichkeit bekannt machen. Nicht um public relations, sondern um res publica gehe es, weil Öffentlichkeit etwas mit Offenheit und Wahrheit zu tun habe. Auch wenn Zink sich in Träumereien über eine freie Kirche ergeht, frei „von dem Überbau, den die Theologie der Männer seit zweitausend Jahren immer und immer neu erfindet und konstruiert, während die Menschen sich danach sehnen, den offenen Himmel zu sehen“ - Zinks Träumereien erscheinen weniger wie unerfüllbare Illusionen als in Projekten wie 'Publik Forum‘ bereits annähernd realisierte Hoffnungen.

Die katholische Zeitschrift hat übrigens als einzige die Auseinandersetzung in der taz um die Weihnachtskarrikaturen von Elisabeth Kmölinger kommentiert.

'Kreuz & Quer‘

Eine der denkwürdigsten Veranstaltungen des linken kirchlichen Spektrums war die „Tübinger Prophezey“ im letzten Herbst. Im tiefsten Schwaben, Hochburg konservativer Pietisten der härtesten Sorte, sprach der „konfessionsfreie Ökosozialist“ Thomas Ebermann. „Hilfe, die ChristInnen kommen...“, so die Losung der „Prophezey“ - und Aufgabe des kühlen GALiers aus dem Norden war es, das „linke Unbehagen an der Verkirchlichung politischer Opposition“ zu formulieren. Den Gedankengang Ebermanns und den Verlauf der Veranstaltung der linken Christenszene zugänglich gemacht zu haben, ist Verdienst von 'Kreuz & Quer‘. Ebermann macht seine Kritik an der Vermischung politischer Praxis mit christlich-religiöser Selbstbeschau konkret. Vier Lebensgeschichten grüner Christen (oder christlicher Grüner?), zu finden im Buch Die Grünen und die Religion, nimmt er unter die Lupe. Dabei versteht er sich nicht als „Christenhasser“, sondern will vielmehr „ein knüppelhartes Mißtrauen schüren gegen alles, was sein Wirken überhöht“. Wenn zum Beispiel das Reden über die eigene Religiosität ablenke von politischer Praxis und Analyse, wenn Religion als das jeder Begründung Entzogene dargestellt würde. Statt sich über politische Ziele und Vorgehensweisen auseinanderzusetzen, würde die subjektive Glaubwürdigkeit zum Wichtigsten hochstilisiert - mit der Folge, daß nicht religiös hergeleitete politische Positionen als „bloß interessegeleitete, als irdische“ denunziert würden. Mit dem ihm eigenen hanseatischen Charme faßt Ebermann zusammen: „Mir ist egal, wer sich für gemeinsame politische Zwecke und Zielsetzungen wie inspiriert. Also ich bin ja kein Atheist... Ich bin dem ganzen gegenüber einfach wurschtig. Aber ich will verhindern, daß die Weltanschauungselemente in die politische Praxis einer Partei kommen.“

Sichtlich selbstkritisch und angetan von der grünen Fundi -Argumentation schlägt der/die 'Kreuz & Quer'-AutorIn linken Christen die Arkandisziplin vor: „Nicht aus Angst vor Repression durch die Kirchenleitung sollen wir also unsere christliche abgeleitete linke Option verschweigen, sondern aus Liebe und in Solidarität aller Gottlosen, der Christen und Nichtchristen!“ Allenfalls dürfe das christliche Fundament als „Fußnote halblaut artikuliert“ werden.

Ob Ebermann mit dieser Position glücklicher werden würde, sei dahingestellt - auf jeden Fall lechzt die hier begonnene Diskussion nach Fortführung.

'Salz der Erde‘

Die nordelbische evangelische Kirche (NEK) ist im letzten Jahr die wohl krisengeschütteltste im Bundesgebiet gewesen. Was zwischen Flensburg, Kiel und Hamburg für Auseinandersetzungen stattfanden und wie die Kirchenleitung damit umging, das ist in 'Salz der Erde‘ zusammengetragen. Die „Ökumenische Zeitung für Nordelbien“ dokumentiert und kommentiert:

-Den Kirchenaustritt des obersten „Charismatikers“ Wolfram Kopfermann, der in Hamburg eine Privatkirche gründete. Jahrelang mit bischöflichem Wohlwollen bedacht, konnte diese rechte fundamentalistische Gruppierung unter amtskirchlicher Obhut wachsen und gedeihen, frei nach dem Motto „Wer betet, demonstriert nicht“.

-Ihre disziplinarischen Energien lenkte die Kirchenleitung dagegen auf die sogenannten „linken“ Gruppen und Amtspersonen. Gegen die VerfasserInnen der 'Hoisbütteler Erklärung‘ zum Beispiel, die sich kritisch und konkret mit dem Kapitalismus auseinandersetzten. Diese Erklärung des „Ökumenischen Netzwerks Nordelbien“ solle wegen ihrer „primitiven Sprüche“ möglichst schnell ad acta gelegt werden, nach dem Willen des Kirchenamtes jedenfalls.

-Keine Worte, erst recht keine der Reue, fanden die Kirchenoberen zur Gründung einer Schwulen- und Lesbengemeinde in Hamburg. Dieses offizielle Schweigen zum Exodus einer gesellschaftlichen Minderheit wird durch die Hofierung der Charismatiker sofort zur eindeutigen Stellungnahme: Verlassen rechte Christen, die Homosexualität offen als Sünde diffamieren, die Kirche, wird es bedauert verlassen aber die die Kirche, denen nach der Bibel gerade die „frohe Botschaft“ gilt, so werden sie vergessen.

-In diese Doppelstrategie der NEK (Stärkung der Rechten und Ausgrenzung der Linken) paßt die geplante Verfassungsreform. Sie zielt auf Machtzuwachs für Bischöfe und Pröpste, auf Kosten der Selbstbestimmungsrechte der Gemeinden.

-Eine Glosse zur Beteiligung der Kirche an Privatsendern schließt den abwechslungsreichen Reigen der Auseinandersetzungen in der nordelbischen realexistierenden Christenheit.

'Amos‘

Die „Kritischen Blätter aus dem Ruhrgebiet“ sind benannt nach jenem alttestamentlichen Propheten, der die sozialen Mißstände seiner Zeit am deutlichsten benannt und angeprangert hat. Eben dieses ist auch Anliegen der AutorInnen von 'Amos‘. Ihnen geht es nicht in erster Linie um theologische Fachbeiträge oder linke Kirchenschelte, sondern um Analyse gegenwärtiger gesellschaftlicher Vorgänge. Ausführlich setzt sich 'Amos‘ auseinander mit der geplanten „Internationalen Bauausstellung Emscher Park“ mitten im Ruhrgebiet, mit den Folgen der Gentechnologie und dem beginnenden „Zeitalter der prometheischen Schamlosigkeit“, die gekennzeichnet ist durch Verschmelzung der technischen und biologischen Welt.

'Salz der Erde.‘ Ökumenische Zeitung für Nordelbien, Heft 4/88, 28 Seiten, 5 Mark. Kontakt: Lore Blandow, Sandweg 22, 2057 Wentorf (erscheint vierteljährlich).

'Junge Kirche.‘ Eine Zeitschrift europäischer Christen. Heft 2/89, 68 Seiten, 5 Mark. Anschrift: Mathildenstraße 86, 2800 Bremen 1 (erscheint monatlich).

'Publik Forum.‘ Zeitung kritischer Christen, Heft 3/89, 48 Seiten, 4Mark. Anschrift: An der Krebsmühle, Postfach 2010, 6370 Oberursel (erscheint vierzehntäglich).

'Amos.‘ Kritische Blätter aus dem Ruhrgebiet, Heft 3/4/88, 52 Seiten, 4 Mark. Kontakt über: Evangelische Studentengemeinde, Querenburger Höhe 287, 4630 Bochum 1 (erscheint vierteljährlich).

'Kreuz & Quer.‘ Das linke kirchliche Magazin. Heft 1/89, 44 Seiten, 4 Mark. Anschrift: Postfach 1841, 7400 Tübingen (erscheint zweimonatlich).