Ökonomische Scharmützel um die gesündere Milch

„Bioland“ wollte seine Milch in Berlin auch über den konventionellen Handel verkaufen, zog damit den Zorn der Bioläden auf sich und scheiterte an der Geschäftspolitik des Wunschpartners  ■  Von Peter Huth

Berlin (taz) - „Wenn die Bauern meinen, sie müßten ihre Milch bei Butter-Lindner verkaufen, dann sollen sie das tun, aber ohne mich! Dann verkaufe ich eben mehr Demeter.“ Starke Worte eines Bioladenbesitzers in Berlin-Kreuzberg. Starke Worte, die eine wütende Stimmung unter Naturkosthändlern widerspiegeln. In den ersten Monaten dieses Jahres gab es tatsächlich in einigen Berliner Naturkostläden keine Bioland -Milch. Warum?

Anfang Dezember letzten Jahres hatte Jochen Grunwald, Geschäftsführer der Bioland GmbH Nord, den Berliner Naturkostläden per Rundschreiben mitgeteilt, daß er mit der Milch- und Molkerei-Fachgeschäftskette Butter-Lindner über die Vermarktung von organisch-biologischen Molkereiprodukten verhandle. Begründet hatte Grunwald diesen Schritt damit, daß neun Bioland-Betriebe, die im Erfassungsbereich der Molkerei Hameln liegen, derzeit 1,5 Millionen Liter Milch jährlich konventionell erfassen und verarbeiten lassen müssen, was eine Umsatzeinbuße von rund 300.000 Mark für die Bauern bedeutet. Für diese Bauern suchte er dringend andere Absatzwege im konventionellen Handel, weil ihm die Naturkostläden eine solche Menge nicht abnehmen konnten. Maßgebend für seine Entscheidung zugunsten von Butter -Lindner war die Zusicherung der Firmenleitung, auf den Handel mit Pseudo-Bio-Produkten zu verzichten.

Die Bioland GmbH Nord ist mit 2.500 Litern wöchentlich Berlins zweitgrößter Biomilch-Lieferant. Bereits im November 1988 hatte Jochen Grunwald auf die schwierige Absatzsituation der Bioland-Milch hingewiesen. Er hatte die Naturkostläden vergeblich aufgefordert, die Milchpreise zu senken, um so für mehr Absatz zu sorgen.

Butter-Lindner, Importeur von dänischen Molkereiprodukten, war nach Tschernobyl ein Anlaufpunkt für die Berliner Szene geworden, nachdem sich herumgesprochen hatte, daß die dänische Milch kaum mit radioaktivem Cäsium belastet war. Daß Butter-Lindner als finanzkräftige Ladenkette einen niedrigeren Preis bieten könnte und somit den Naturkostläden erneut Kunden wegnehmen würde, war die Hauptsorge in den Bioläden. Dabei hatte man sich mit Butter-Lindner auf einen Ladenpreis von 2,25 Mark pro Liter Milch geeinigt, was einer auch für Naturkostläden angemessenen Kalkulation entsprach und Butter-Lindner einen feinen Gewinn versprach. Trotzdem grassieren in der Naturkostszene Gerüchte, daß Butter -Lindner die Milch zu günstigeren Konditionen bekäme. „Alles Quatsch“, empörte sich Jochen Grunwald über solche Äußerungen, „unsere Abrechnungen liegen offen, da gibt es nichts zu verheimlichen.“

Günstigere Konditionen hätte es allerdings geben können, wenn ein weiteres Glied in der Bioland-Milch-Connection mitgespielt hätte, der Terra-Frischdienst. Dieser Naturkost -Zwischenhändler beliefert den Berliner Markt, und „die Milchtransporte sind längst nicht ausgelastet“, versicherte Eigentümer Meinrad Schmitt. Der Transportkostenanteil von 20 Pfennig pro Liter Milch könnte bei besserer Auslastung um einiges gesenkt werden. Doch auch Meinrad Schmitt - sonst sehr engagiert, wenn es um Verbilligung von Bioprodukten geht - bekam angesichts der kämpferischen Töne schnell kalte Füße, als es um die Transporte für die Firma Lindner ging. „Ich verstehe mich als Zwischenhändler für Naturkostläden. Der Handel mit Butter-Lindner ist der Anfang eines Verdrängungsprozesses. Da mache ich nicht mit!“

Ein Verdrängungsprozeß findet jedoch eher beim ökologischen Bewußtsein statt. Berlin erscheint als Enklave, wo die Ausweitung auf den konventionellen Handel durch eine breite und kämpferische Naturkostszene verhindert werden soll. In München und Nürnberg zum Beispiel gibt es in der größten Supermarktkette Kaufmarkt Demeter-Produkte. Peter Grosch, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Verarbeitung und den Vetrieb von Demetergruppen, spricht zwar in einem 'Bio' -Interview von einer Testphase mit bundesweit vier Modellfällen: die Priorität liege weiterhin bei Naturkostläden und Reformhäusern. Aber zugleich geht er davon aus, daß die Naturkostläden ohne eine notwendige Modernisierung gar nicht mehr in der Lage sein werden, alle Produkte abzunehmen. Außerdem berichtet er von guten Erfahrungen bei der Kontrolle und Einhaltung der Richtlinien. So unterhält der Kaufhof eine eigene Biobäckerei. Das Getreide wird zum Teil auch abgepackt verkauft. Durch Einblick in die Bücher kann Demeter genau die Menge des erhaltenen, verbackenen und verkauften Getreides verifizieren.

Auf eine ganz andere Gefahr bei der Zusammenarbeit mit den Supermarktketten verweist Reiner Kutsch vom Berliner Naturkostfachhandel. „Ein Bauer hat bisher 80 Prozent seiner Produktion über den Naturkosthandel abgesetzt. Der Rest ging für weniger Geld in den konventionellen Bereich. Jetzt bekommt er das Angebot, diese 20 Prozent ebenfalls als Bioprodukte im Supermarkt zu verkaufen. Der konventionelle Handel wird nicht ohne feste Lieferverträge arbeiten. Wenn bei uns mal keine Butter geliefert werden kann, dann gibt es eben keine Butter. Das kann ich dem Kunden erklären. Ein konventioneller Händler wird sich darauf nicht einlassen. Das heißt für den Bauern, daß er sich auf Konventionalstrafen einstellen muß oder einen Teil seiner Produktion dem Naturkosthandel entziehen wird.“

Als im letzten Herbst Bioland-Produkte in Frankfurter Großmärkten auftauchten, konnte man über die Preise staunen. Sie lagen durchweg über den Berliner Preisen. Angst vor einem Preiskampf brauchen die Bioläden im Moment wohl kaum zu haben, sind doch die konventionellen Händler froh über die satten Gewinnspannen bei kontrolliert biologischer Ware. Gescheitert ist das Butter-Lindner-Experiment an einer ganz anderen, für den konventionellen Handel typischen Geschäftspolitik. Man will mit und bei Bioprodukten absahnen und möglichst wenig investieren. Butter-Lindner war nicht bereit, außer der Bio-Milch auch solche aus Umstellungsbetrieben zu verkaufen. Das Lindner-Konzept sieht nicht vor, daß das Personal von den Produkten mehr weiß als die Verkaufspreise. Beratung ist nicht vorgesehen.

Siehe auch obenstehendes Interview